Das Schwein, das Caruso so liebt.
S.P.L. (Wilson Yip, Macau/Hong Kong 2005)
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Zweite Sichtung, dieses Mal daheim, nach dem FFF'06 in Köln.

Hmmm. Zu den grandiosen Kampfszenen gibt es gar nicht viel zu sagen. Mir war Sammo Hung vor diesem Film kaum ein Begriff, aber recht bemerkenswert ist dieser sympathische Dicke durchaus, doch. Was nach Abzug der Action bleibt ist vor allem eines: absolut überdurchschnittlicher Heroic Bloodshed. Immerhin, Yip ersetzt das Woo'sche Pathos durch viele parallel konstruierte Geschichten von jungen und alten, fürsorglichen und nachlässigen, richtigen und Ersatz-Vätern. Da bekommt jeder Akteur einen entsprechenden Hintergrund spendiert, und in seiner vielschichtigen und vor allem durchaus subtilen Codierung erinnert das Ergebnis so gar nicht mehr an das typische Hong Kong-Kino, sondern sieht viel eher nach genau der Liga cleveren Hollywood-Mainstreams aus, die mir persönlich ohnehin am Allerliebsten ist. Mitten in all diesen Vätern gibt es dann übrigens noch den einen, der einfach nur Sohn zu sein scheint, so unbeschwert-nachdenklich durch den Film streift (dabei äußerst effektiv Bösewichte vermöbelt), und dann zum Schluss vielleicht nicht das tragischste, wohl aber das unerwartetste Opfer wird - immerhin ist er ja angetreten, um eine Vaterrolle zu übernehmen. Stattdessen steht dann am Schluss nur noch der - man muss fast sagen: ehemalige - Vater der Protagonisten am Strand, seine Ersatztochter als einziges Kind übriggeblieben, und sie ist genauso unbeschwert, wie sie es sein sollte...

Ehe ich jetzt ins metaphysische Interpretieren gerate, höre ich besser auf. Es stellt sich wohl ein wenig die Frage, inwieweit dieses Familienmotiv in S.P.L. nicht eher über- denn lediglich ausgereizt wurde. Ob die Personenkonstellation des Films bis ins Letzte tatsächlich schlüssig bliebe, würde man sie detailliert untersuchen, wage ich nicht zu beurteilen. Funktionieren tut S.P.L. aber allemal, auch bei der zweiten Sichtung.
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The Mechanik (Dolph Lundgren, Deutschland/USA 2005)
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Bemerkenswert, wie direkt und straight der gute Dolph an die Sache rangeht. Da wird in nur ganz wenigen Minuten dem Helden eine wunderbare Motivation gebastelt, die - trotz ihrer Reißbretthaftigkeit - gerade dank ihrer Knappheit sich so schön stimmig in den Film einfügt. Der "schon wieder einer, der seine Familie rächen will"-Effekt stellt sich kaum ein, weil eben keiner auf diesem Topos rumtrampelt, sondern es eben nur pflichtbewusst im erweiterten Vorspann erwähnt wird. Ähnlich fix geht es dann ja auch weiter, als Dolph - inzwischen "Mechanik" in den USA - dann angeworben wird, das Mädel zu retten. "This is not about revenge, this is about retirement!" hätte er zu seligen PUNISHER-Zeiten vielleicht gesagt, und trotzdem: das übliche Handlungselement des Überredet-werden-wollens ist mit seinen ca. 2 Dialogzeilen auch eher knapp abgehakt.
Ich wiederhole mich: Das Bemerkenswerte an diesem Film sind gar nicht einmal so sehr die schön physischen Actionszenen. Es sind schon gar nicht die Landschafts- und Stadtaufnahmen, die "ich wurde an Originalschauplätzen gedreht!" zu schreien scheinen. Es ist die Knappheit, mit der Lundgren zu Werke geht. Diese unbarmherzige Schnörkellosigkeit und der völlige Verzicht auf jedwede Ambition, mehr als nur eine gelungene Schema F-Anwendung zu sein, ist in letzter Konsequenz schon wieder außergewöhnlich, und beinahe sogar selbstreferentiell. Ideen hat der MECHANIK nämlich einfach nicht nötig.

Notiz am Rande: Es gab da zwischen mir und meinen Sichtungsgenossen die interessante Hypothese, dass Dolph gar kein Schauspieler ist, sondern in Wahrheit früher mal russischer Elitesoldat war. Auch schön, das seltsame "k" am Ende des Filmtitels, wohl einerseits um ihn von der Räuberpistole mit Bronson abzusetzen, andererseits gewiss aber auch, um des Dolphs herben Akzent schriftlich zu visualisieren.
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Rocky Balboa (Sylvester Stallone, 2006)
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„Fighters fight!“ – und zwar im Ring. Da gibt es den jungen, aktuellen Champion, Mason Dixon, und wenn ihm seine Manager unterbreiten, dass er ein Image-Problem hat, dann geht er währenddessen in seinem Trainingsring auf und ab. Und dann ist da Rocky, Rocky Balboa, einer der „greatest of all time“ in dieser kleinen Parallelwelt, wo es eben wirklich mal einen Boxer gab, dem es gelang, mit eisernem Willen und vor allem viel Herz auch die aussichtslosesten Kämpfe zu gewinnen. Er will zurück in den Ring, „nothing big, just local stuff, you know“, doch die Lizenz wird ihm verwehrt. Und er kämpft darum, im ersten großen Magic Moment dieses sechsten Teils des Franchises. Rocky steht da, vor der Kommission, im Anzug, gefilmt zwischen den Schultern zweier Kommissare hindurch. Das Bild wippt nach links und rechts, es ist beinahe ein point-of-view-shot eines Boxers auf seinen Kontrahenten, und auch Rocky ist in Bewegung, während er sein unbeholfenes Plädoyer vorträgt, verlagert sein Gewicht ständig von links nach rechts, von rechts nach links. Fighters fight!

...more to come...
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Brothers Grimm (Terry Gilliam, 2005)
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"Watered-Down Gilliam Is Better Than No Gilliam" steht in einem imdb-Kommentar zu dem Film, und vielleicht mag das sogar stimmen, wenn jemand dem Terry so richtig apologetisch begegnet. Ich dagegen wurde nie hundertprozentig mit dem Mann warm. Klar, BRAZIL fand ich ganz gut, und TIDELAND schlicht beeindruckend. Mit FEAR AND LOATHING dagegen konnte ich gar nichts anfangen. Und ich sehe TWELVE MONKEYS tatsächlich als seinen besten (Post-Python) Film, einfach weil der - im Rahmen der üblichen Zeitreise-Schnörkel - so schön geradlinig ist, eben nur das genau richtige Maß an Abgefahrenheit zugelassen hat. BROTHERS GRIMM jetzt ist so ein extrem zweischneidiges Schwert. Ich könnte nicht behaupten, dass der Film nicht funktioniert hätte. Da gab es schon einige Stellen, die mich so richtig fesseln konnten, Rotkäppchen und Hänsel & Gretel fallen mir da als Erstes ein. Überhaupt, der Märchenwald war nett, bis er dann zum Horrorwald wurde. Im Ganzen leidet der Film aber vor allem an seinem eigentümlichen Humor, der zwischen kindischer Nervigkeit (meistens) und ganz kleinen Monty Python-Glanzstücken (sehr selten) chargiert. Das passt nicht. Das funktioniert nicht als humorous relief für die Gruselszenen. Das ist zu abseitig, und zu albern. Auch die mickrigen Grimm-Charaktere, die irgendwie mit einer angeklebten Pre-Credit-Sequenz motiviert sind, staksen eher farblos durchs Bild, sind einfach nicht nachvollziehbar.

Ja, nicht nachvollziehbar, ich denke, darauf kann man sich bei dem Film einigen. Sicher, er hat was, und er hat auch diesen typischen Gilliam-Stil (das Überdrehte, und die vielen Weitwinkel-Closeups, etc.), den viele Leute so sehr schätzen. Aber die Willkür, mit der der Film durch seinen mageren Plot steuert, und abwechselnd gute Einfälle lieblos verheizt, und schlechtere zu größtmöglicher Opulenz aufplustert. Die Willkür, mit denen Gilliam hier die Film-Logik aufbaut, das hat nur Shyamalan mit seiner Waterlady noch schlechter gemacht. Ich weiß nicht, BROTHERS GRIMM krankt nicht am Drehbuch, eher vielleicht an der überbordenden Individualität seines Regisseurs. Der Film fließt nicht, ergibt sich nicht. Er ist konstruiert, von vorne bis hinten. Und Unordnung lässt sich nicht konstruieren.
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DoA: Dead or Alive (Corey Yuen, 2006)
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Großartige Kunst, wirklich. Nicht mehr als Brüste und Ärsche, leinwandfüllend aufbereitet und spärlich bedeckt. Funktionieren tut der Käse hinten und vorne nicht, aber wenn bei einigen Prügelszenen tatsächlich die Health-Bars über den Köpfen der Protagonisten eingeblendet werden, dann ist das ganz witzig. Irgendwie interessant dagegen ist, wie der Außenhunddblog-80er-Jahre-Prügel-Macho-Schinken hier in ein kleines Gegenteil verkehrt wird, dabei aber natürlich dank seiner ganzen ungehemmten Fleischbeschau immer noch ein Schlag ins Gesicht jeder Frauenrechtlerin ist. Selbst der homoerotische Unterton des BLOODSPORT-Fahrwassers rettet sich hier in eine Szene, in der zwei der - im Vergleich zur Videospielvorlage eher unterbetitteten - Frauen sich ein Bett (ganz platonisch) teilen, und dabei vom Papa (Profi-Wrestler im Hulk Hogan-Outfit) der einen (Profi-Wrestlerin) "erwischt" werden. Besagter Papa, ein Stereotyp-Macho, bekommt dann sogar noch Gelegenheit, die vermeintliche Homosexualität seiner Tochter absolut OK zu finden - fantastisch. Überhaupt sind die Männer in diesem Film nur noch das, was die Frauenrollen in den 80ern waren: Da gibt es den nervigen Nerd, den bösen Bösewicht, den arroganten Nichtsnutz und das verliebt-unterwürfige Huscherl, nur eben alle mit einer offenbar zu klein geratenen Portion Testikeln in der Hose. Und die Frauen sind dann trotzdem auf ihren reinen Schauwert reduziert (besonders deutlich auch in der Parallelmontage eines Beachvolleyball-Matches der vier Protagonistinnen mit einer Prügelszene des verliebten Huscherls). In seiner Inkonsequenz ist das absolut einzigartig.
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The Lady in the Water
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Einmal feucht durchwischen

Mit dieser Überschrift trage ich übrigens nur der Tendenz Rechnung, mit Kalauern zu titeln. Zur Auswahl standen auch "Noch feucht hinter den Ohren", "Schön feucht bleiben" und "Open Water 4 - Rache im Wohnblock". Alles nicht lustig, ich weiß, aber das ist Shyamalans Neuester ja auch nicht. Will er aber wohl auch nicht sein, von daher ist das schon in Ordnung.

Stattdessen, das Positive: Grandiose Kamera von Christopher Doyle. Da gibt es einen Schwenk, er beginnt waagrecht, von draußen auf ein Fenster gerichtet, hinter dem eine Party stattfindet. Es ist dunkel, es regnet, blitzt gelegentlich. Doyle schwenkt ab, richtet den Blick auf die Wasseroberfläche des Pools, erst schräg, dann bewegt sich die Kamera in eine senkrechte Vogelperspektive. Von hier zoomt sie aus, bis der ganze Pool im Bild ist, schwenkt dann ab, auf den Waldrand, senkt sich dabei wieder zurück auf menschliche Augenhöhe. Sie streift das Gras, in dem Shyamalan das Monster seines Filmes stets verbirgt, verweilt ganz kurz, hebt sich dann weiter zu den Bäumen, die düster-drohend das Bild ausfüllen - und stoppt erst, als sie nur noch nachtschwarzen Himmel zeigt.

Soweit, so schön anzuschauen. Klingen tut das auch noch toll, Schnitt und Montage ist ebenso großartig wie Kamera, Paul Giamatti trifft mit seiner Darstellung der Hauptfigur eine sehr schöne Mitte zwischen Melancholie und Mut, und das Märchen, das der Film erzählt, könnte sogar spannend sein.

Wenn Shyamalan es auch wirklich erzählen würde. Das tut er nicht. Da gibt es diese asiatische Gutenachtgeschichte, die eine Bewohnerin des Hauses nach und nach preisgibt, und diese Gutenachtgeschichte ist alles, was die Logik des Filmes und seiner handelnden Figuren vorgibt. Wenn es da heißt, man müsse sich nett bei den Händchen halten, dann tun alle Beteiligten das auch unhinterfragt. Und natürlich funktioniert das dann auch, nachdem kleinere Fehler in der Ausführung der stets genauen Anweisungenn beseitigt wurden. Irgendwie nachvollziehbar, warum etwas getan werden muss oder nicht getan werden darf, wird das Drehbuch nie. Das ist in etwa so willkürlich, wie wenn Tobe Hooper in seinem MORTUARY seinen Monstern eine Empfindlichkeit gegen Salz anerfindet.

*ungeschliffener Anhang*
Es ist zwar schön, wie Shyamalan mit allen abrechnet, die seine Plottwists gelangweilt "schon immer durchschaut haben" . Das ist ein bißchen böse, aber sehr verzeihbar, und so überzeichnet, dass man ihm das wohl auch kaum übelnehmen könnte. Sich dann aber selbst eine Rolle zu schreiben, die sich als quasi-Messias und zukünftigen Retter der Menschheit (und sogar Märtyrer für diesen Zweck!) beschreibt, verschiebt das Bild schon in eine extrem arrogante Richtung. Das hätte man dem lammfromm-dreinblickenden Regisseur eigentlich kaum zugetraut.

Kinostart 31.08.2006
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Cars
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*work in progress*

Autos mit Arschgeweih

Es geht um Kurven und Geraden, das macht „Cars“-Regisseur John Lasseter schon sehr früh klar: Er zeigt seinen Helden, den Rennwagen Lightning McQueen, auf der Reise nach Kalifornien, zum Abschlussrennen des „Piston Cup“. Der Interstate 40, auf dem Lightning fährt, ist schnurgerade, eben die kürzeste Verbindung zweier Punkte, und Lasseters virtuelle Kamera offenbart, dass das nicht natürlich ist: Einmal zeigt eine Vogelperspektive, wie sich unter der Straße ein Fluß dahinschlängelt, eine Einstellung später dann sieht man, wie für den Interstate eine Schneise in einen Hügel gebrochen wurde. Der Soundtrack spielt dazu „Life is a Highway“ von Rascal Flatts.

Lightning McQueen ist nun natürlich so einer, der „auf der Überholspur lebt“ (Presseheft) und die geraden, ausgebauten Strecken bevorzugt. Bezeichnenderweise fährt er auch in einem den amerikanischen NASCAR-Veranstaltungen nachempfundenen Rennzirkus – die Strecken hier bestehen stets aus zwei langen Geraden, die durch zwei weitläufige 180-Grad-Steilkurven miteinander verbunden sind, für (fast) ständiges Fahren in Höchstgeschwindigkeit. Als er dann eben auf der Fahrt zum großen Rennen vom Interstate abkommt und auf der Route 66 im verschlafenen Städtchen Radiator Springs strandet, so kommt er mit diesem unfreiwilligen Umweg nicht klar.

Was jetzt kommt, ist Kinderfilm-Formel: Der ungestüme Jungspund lernt soziales Verhalten wie Teamgeist und Freundschaft, findet wahre Freunde (und Liebe) und darf in der finalen Feuertaufe seine neuen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Und hier bricht „Cars“ auch mit der kurzen Tradition der computeranimierten Trickfilme: Im Gegensatz zu vielen ihrer gezeichneten Vorgänger eben nicht nur biedere Kost für die ganze Familie zu bieten, sondern immer auch zumindest ein klein wenig subversiv zu sein. Zwar gingen die Dreamworks-Pendants („Antz“, „Shrek“) drastischer vor als die neuen Disneys, doch auch „A Bug’s Life“ und „The Incredibles“ hatten ihre erwachsenen Momente. „Cars“ dagegen ist vor allem harmlos und nett und macht dem erwachsenen Zuschauer schon recht deutlich, dass er vor allem seiner zielgruppengerechten Begleitperson zuliebe diesen Film sieht. Da hilft es auch nicht, wenn „Cars“ sich über seine ganze Laufzeit größtenteils auf der Idee ausruht, von einer Welt voller Autos zu erzählen. Da kann ein LKW nach langer Fahrt schon mal in Sekundenschlaf verfallen, oder ein kleiner Fiat zum großen Ferrari-Fan werden, mit Mütze und Fahne. Statt Kondens-Streifen gibt es Reifenspuren am Himmel, die Felsformationen in den Canyons sehen aus wie Cadillac-Motorhauben, und im – natürlich – Autokino laufen „Toy Car Story“ und „Monster Cars Inc“. Insekten sind VW Käfer mit Flügeln, und auf der Weide steht eine Herde Traktoren, die ein lautes „Muuuuuh“ von sich geben, wenn sie erschrecken. Spätestens nachdem Lightning McQueen dann auch noch bei Sally, der heißen Porsche-Dame von Radiator Springs, die Lidschatten über der Windschutzscheibe trägt, ein kesses Tribal Tattoo auf ihrer Kofferraumklappe entdeckt hat, hat sich der Zuschauer an den immer wiederkehrenden Gags nach gleichem Strickmuster endgültig sattgesehen.

Immerhin, Lasseter gibt sich Mühe, die bekannte Adoleszenz-Geschichte in Metaphern zu spiegeln: Radiator Springs, dieses kleine Nest voller liebenswerter Mensch-Autos, ist eben nur zu erreichen über die seit dem Bau des Interstate verwaiste Route 66. Die Kundschaft bleibt aus, das Überleben der Gemeinde – und damit auch ihrer Werte – ist in Gefahr. In der Welt draußen dagegen regiert das Einzelkämpfertum, und es bedarf eines Umweges, um von diesem vermeintlich bestem Lebensstil wegzukommen.

Schade nur, dass Lasseter diesen Umweg vor allem als einen Trip in die amerikanische Vergangenheit charakterisiert: Am Ende des Films weicht das rostige „Route 66“-Schild einem strahlend-glänzenden „Historic Route 66“, und die Besucher strömen scharenweise nach Radiator Springs. Menschlichkeits-Tourismus in die Sixties, sozusagen, und soziales Verhalten als klassisch-amerikanisches Kulturgut. Überhaupt, dieser Schluss ist es auch, der dem Film ein wenig die Internationalität und Universalität raubt und ihn jetzt als sehr amerikanisches Kulturprodukt zeichnet. Während die Vorgängerfilme auf austauschbare Schauplätze wie Großstadt oder Natur setzten, siedelt Lasseter „Cars“ eben mitten in Amerika an. Dabei blickt er zwar sehr wohl ein wenig ironisch auf den Patriotismus, wenn er pathetisches Flagge-Zeigen von einem Jimi Hendrix-hörenden Hippie (ein bunt bemalter VW-Bus) stören lässt, doch schützt es den Film letztlich eben nicht davor, in nostalgischen Kitsch abzugleiten: Aus der verwaisten und ungepflegten Straße und ihren Anwohnern wird plötzlich – mit dem Attribut „historic“ – ein schützens-, vor allem aber sehenswertes Kulturgut. Radiator Springs erstrahlt in neuen Neon-Lichtern und bekannter Sixties-Architektur. Ein altkluges „Früher war alles besser!“ durchzieht die letzte halbe Stunde des Films. Auf die Pixar-Filme trifft das leider zu.
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Mystic River (Clint Eastwood, USA 2003)
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Ohje, ein Film zum Bücherfüllen. Ich hab ihn heute zum zweiten Mal gesehen, zuletzt damals im Kino (kaum begeistert, nebenbei), doch als so komplex und verschachtelt hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Da ist so unendlich viel drin, was einer ausführlichen Analyse bedürfte. Das fängt bei den Details an - die Parallelmontage der katholischen Erstkommunion zum Finden von Katies Leiche - und hört bei der undurchschaubar komplizierten Personenkonstellation nicht auf.
Da gäbe es Dave (Tim Robbins), der durch die Entführung und Misshandlung seiner Kindheit beraubt und schwer traumatisiert wurde. Als Erwachsener scheint er zwar weitgehend normal, doch so ein wenig schimmert stets das Trauma durch, wenn er ein klein wenig zu lange schweigt zwischen den Sätzen; wenn er das Kinn 1-2cm zu tief hält, wenn er mit jemandem redet; oder eben wenn er kurzfristig in blanken Wahnsinn ausbricht, unbeholfene Metaphern für sein eigenes Leben erfindet und - ja - plötzlich sehr bedrohlich wirkt. Und dann seine Frau, und irgendwie auch die seltsame Beziehung zu ihr, viel mehr Mutter-Sohn als Mann-Frau, schön zu sehen, als er in besagter Nacht blutend heimkommt. Bis sie dann am Schluss allein durch die Straßen irrt und ihr langsam klar wird, dass ihr Mann nicht mehr lebt. Dann erst spricht sie zum ersten Mal on screen mit ihrem eigentlichen Sohn, zuvor war er immer eher ein Kind seines Vaters.
Da gäbe es Jimmy (Sean Penn), Vater des Opfers, (ehemaliger) Krimineller. Er ist schon weit mehr als nur Vater, oder zumindest ist er es noch nicht von Anfang an. Immer wieder wird er daran erinnert, dass er Familienvater zu sein hat, Pflichten zu erfüllen - und nach dem Mord an Dave erinnert ihn seine Frau in einer sehr ambivalenten Szene noch einmal daran, und er wird auf sie hören, und sich natürlich nicht der Polizei stellen. Zuvor ist er vielleicht noch die stereotypste Person des Films, eben der zerknirschte Vater des Opfers, der auf Rache sinnt. Später dann wird er eben zur - beinahe transzendenten - Vaterfigur, die sich mit ihren familiären Banden über die Moral stellt - zu stellen hat, wie die Familie fordert. Und dann, das Kruzifix auf den Rücken tätowiert, lange und eindrücklich im Bild im Augenblick der Reue. Mit diesem - christlichen - Motiv vor Augen scheint das Bild seiner Frau in der vorletzten Filmszene schon wieder reaktionär, sie, die Verführerin, die ihren eigentlich reumütigen Gatten an die Familie kettet, anstatt ihn "Buße tun zu lassen". Und dann noch die Andeutung eines eiskalten Lächelns, das sie ihrer Schwester - Daves Witwe - zuwirft.
Der dritte im Bunde, irgendwie auch der unscheinbarste: Sean (Kevin Bacon), der Polizist, und vor allem der, dessen Drama sich nicht im Hauptplot abspielt, sondern sich nur ständig daran spiegelt. Er ist als einziger dem Vorort entwachsen und wirkt oft wie ein neutraler Beobachter des Geschehens, weniger involviert als alle anderen. Wäre da nicht diese Sache mit seiner Frau, die ihn verlassen hat, aber immer noch ständig anruft, am Telefon aber lediglich schweigt. Er muss erst die ganze Komplexität des Dramas begreifen, um sich zu einer Entschuldigung aufraffen zu können, und dann spricht die Frau auch endlich wieder, und der Zuschauer sieht zum ersten Mal ihr ganzes Gesicht, statt wie zuvor nur den Mund, der unhörbare Worte geformt hat. Es ist dann wieder diese letzte Szene, in der diese Konstellation einen sehr seltsamen Anstrich bekommt: Strahlend erleuchtet steht da dieses neuvereinte Paar und beobachtet die Feiertagsparade, die - blonde - Frau den Blick in die Ferne gerichtet, auf dem Arm ein Baby. Nur Sean, im schwarzen Anzug, wirkt ein wenig deplatziert: obwohl er sie umarmt, scheint er nicht wirklich zu diesem Bild zu gehören, er folgt nicht den Blicken seiner Frau, er scheint sie überhaupt kaum zu berühren. Stattdessen sieht er sich um, sieht die aufgelöste Witwe von Dave, sieht Jimmys Frau und Familie, und dann Jimmy, von dessen Mord er weiß. Dann, diese unschuldige Geste von Jimmy, "ich kann nichts dafür, so ist das Leben eben", scheint sie zu sagen. Dazu ein - beinahe mitleidiges - Lächeln.

Den Text merke ich mir mal vor...

Und noch ein, vielleicht sogar interessanterer, Link.
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Hellboy (Guillermo del Toro, USA 2004)
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Sehr schön. Del Toro hat keine Skrupel, einen haarsträubend abstrusen und pulpig-trashigen Plot zu verwenden, um eine richtig warmherzige und intelligente Geschichte zu erzählen. Hellboy, irgendwie knallrotes Riesenmachobaby, dann andererseits herrlich unbeholfen und schüchtern. Und so ehrlich. Absoluter magic moment ist ohnehin die Szene auf dem Hausdach, wo Hellboy dem kleinen Jungen seinen Liebesfrust klagt. Ein wenig variiert del Toro hier den X-Men-Topos vom ungeliebten Anderen, aber er begegnet dem Thema schon auch von anderer Seite: er zeichnet einen Superhelden, der wohl gleichzeitig sein eigener größter Fan wäre. Eben ein kleiner Junge, der mit großen, staunenden Augen beobachtet, was für tolle Sachen er machen kann, und dabei auch noch unendlich cool aussieht.
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The DaVinci Code (Ron Howard, USA 2006)
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Als eingefleischter Idealist müsste man sich fragen: "Warum zur Hölle will irgendein Künstler so einen Film drehen?" Der Realist in mir kennt die einsilbige Antwort: Geld.

Ich stelle mich mal eben auf die Seite meines Idealisten, für den "einen Film drehen" irgendwie noch mit dem Begriff der "Selbstverwirklichung" verbunden ist. Und, ja, ihm muss es irgendwie grausen, wenn man solch gnadenlos uninspirierte Zurschaustellung makellosen Handwerks über sich ergehen lassen muss. Mr. Howard hat mit seiner "Verfilmung" des DAVINCI CODEs den Begriff ziemlich Lügen gestraft: verfilmen, da erwarte ich eine Übertragung vom einen Medium (Buch) in ein anderes (Film), ein wenig Interpretation der Vorlage vielleicht sogar, zumindest aber Ideen, wie man schriftstellerische Stilmittel durch filmische ersetzen könnte. Stattdessen: teurer (und, zugegeben, verdammt guter) Cast, rennt durch die Landschaft und spielt das Buch nach, die Kamera stets dabei. Und dann noch diese netten Spielereien, wie irgendwelche historischen Rückblendlein in die aktuelle Szenerie mit verwaschenen Überblende-Effekten eingewoben werden: ich bin sicher, man findet irgendwo eine Pressestimme oder gar ein Interviewzitat eines der Macher, wo das als bahnbrechend grandiose Idee gefeiert wird (obwohl ganz nett: als einzige filmische Spielerei doch etwas dürftig). Harry Potter 1, 2 und 4 haben gezeigt, wie scheiße es ist, ein Buch einfach mal so mit der Kamera zu schreiben. Teil 3 dagegen hat - trotz der banalen Vorlage - toll bewiesen, dass es auch anders geht, Cuaron hatte Ideen, das Buch zu straffen und tatsächlich einen Film daraus zu machen, dessen Existenz man auch noch glauben würde, wenn es kein Buch dazu gäbe. Ron Howard macht das nicht. DAVINCI CODE wäre ohne die Buchvorlage nie gedreht worden (das ist soweit logisch), und vor allem hätte er ohne sie auch überhaupt keine Legitimation. Diese Filme existieren NUR, um faulen Leuten das Lesen zu ersparen (ich habe das Buch nicht gelesen, Mission erfüllt, sozusagen), aber nicht, um eine Geschichte (diese Geschichte) in einem Film zu erzählen.

Abgesehen davon, und das hasse ich vielleicht am Meisten: in DAVINCI CODE stimmt alles. Man kann ihm einfach nichts vorwerfen, keine Längen, keine handwerklichen Patzer, nichts. Und er funktioniert: als spannender Reißer zuerst, und gegen Ende als pathetischer Reißer, und all das noch nett mit Patina versehen, wie ein Ölgemälde von DaVinci eben.

Und dann gibt es noch Audrey Tautou, die wohl beste Besetzung die man sich für diese oder auch jede andere Rolle einer rundum bemerkenswerten und bemerkenswert hübschen Frau vorstellen kann. Der einzige Grund, warum ich mich nicht um die zwei Stunden meines Lebens betrogen gefühlt habe. Denn gut unterhalten kann ich mich auch ohne Kino.
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