Das Schwein, das Caruso so liebt.
FFF'09: BRONSON (Nicolas Winding Refn, Großbritannien 2009)
Ohne PUSHER vom selben Regisseur zu kennen, aber mit unguter Erinnerung an den für meinen Geschmack zu sehr in der behaupteten Coolness seines Protagonisten schwelgenden CHOPPER (mit ähnlichem Thema, aber anderem Verantwortlichen), hatte ich wenig Lust auf BRONSON. Diese Art von Personenporträts laufen oft zu sehr Gefahr, in Richtung eines sogenannten "Tarantino-Klons" zu gehen, höchstens mit weniger "Humor", dafür aber noch mit einem Alibi von Sozialkritik und vor allem dem ganz tollen "Tabubruch", hier ein Arschloch als Held zu präsentieren. BRONSON macht all das gar nicht. Seinen - ohnehin sparsamen - Humor bezieht er nie aus Eskapismus in die Coolness, sondern schafft sogar, genau dieses Stilmittel der oben genannten Filme zu dekonstruieren, wenn er seine Hauptfigur immer mal wieder den Versuch wagen lässt, lustig zu sein. Dazu dient auch, dass BRONSON seine Geschichte selbst erzählt, vor einem imaginierten Theaterpublikum, und damit einen bemerkenswerten Hybriden aus einem unzuverlässigen und einem auktorialen Erzähler abgibt. Eine Szene macht besonders deutlich, wie BRONSON seine Fassaden aus umgekehrter Richtung als solche entlarvt: Nach seiner ersten Verhaftung zeigt Refn den kahlrasierten Schädel in Großaufnahme von hinten, und wir hören ein leises Schluchzen. Bronson hebt seine Hände an das Gesicht, und Schnitt: Ruckartig fährt er herum, reißt die Hände herunter und offenbart aufgeschminkte Tränen und ein breites Lachen, und die Szenerie ist nicht mehr die Gefängniszelle sondern besagte Rahmenerzählung auf der Theaterbühne. BRONSON ist ein Film über Selbstinszenierung, und seine zahllosen Kämpfe gegen die Gefängnisbeamten sind im Grunde nichts anderes. Dabei zeichnet Refn seine Hauptfigur nie als den Unsympath, den der Titel "Englands most brutal prisoner" vermuten lässt, umschifft aber auch die Klippe, ihn dabei zu verharmlosen oder zu glorifizieren, sondern erklärt seine Ausbrüche lediglich: Nicht als Ausdruck eines unbeherrschten Temperaments oder irgendeines Traumas, sondern als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung einer Person, die mit gesellschaftlichen Standards nicht kompatibel ist.

F.LM-Podcast
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