Filmtagebuch, endlich mal wieder...
toureiro, 10. August 2008, 20:25h
...wenigstens für Kurzeinträge will ich dieses Blog wieder verstärkt nutzen. Also gleich mal ein Schwung solcher Mini-Textchen, der sich über die letzten Wochen und Monate angesammelt hat:
FLUCHT AUS ALCATRAZ - Ganz toller, politischer Film, der seine Gefängnisinsel als faschistoiden Staat darstellt, in dem es Unterdrücker, Unterdrückte und nur einen wirklichen Außenseiter, beinahe Beobachter, gibt. Steht damit sehr subtil in der Tradition klassischer utopischer Reiseromane: Das unbekannte und -genannte Draußen schickt einen Forscher (Eastwood) aus - seine Ankunft wirkt so gar nicht wie die Ankunft eines Gefangenen - diese verwirklichte Utopie absoluter Ordnung und Disziplin, die ihre Inklusivität perfektioniert hat, zu erkunden. Und ebenso unbehelligt zieht er - am Willen der Wächter vorbei - wieder von dannen, nimmt ein paar mit, die sowieso nicht in die Utopie gepasst haben.
REIGN OF FIRE - Großartige Prämisse, und auch ganz viele tolle Einfälle, diese umzusetzen. Sehr fein sind die Sequenzen mit den Kindern der Burg, und natürlich die unzähligen Analogien zu Rittergeschichten und ihren Topoi. Im Grunde ist das ein Fantasyfilm in uraltem Gewand, bloß statt der großen Conan-Schwerter werden halt moderne Waffen geschwungen - und eine recht mächtige Axt. Ich kann nur einfach nicht den Finger darauf legen, warum der Film trotz vieler aufzählbarer Qualitäten einfach nicht wirklich funktioniert, nicht so fein ist, wie sich das alles in der Theorie liest.
LAYER CAKE - Hatte den irgendwie als typischen Tarantino-Klon abgespeichert, aber dank Daniel Craig Lust auf eine Zweitsichtung bekommen. Die hat sich gelohnt. Das Ding ist ein fast bierernstes hochgradig britisches Gangster-Ding, und schießt in einer tollen Schussgester sogar ganz wörtlich der Postmoderne und ihren coolen Tarantino-Gangstern in den Rücken.
SLEUTH - Hochinteressant, wie der film mit seiner eigenen Inszeniertheit umgeht, ebenso wie der Raumbegriff darin verhandelt wird. Und nett, dass Branagh sich dabei ästhetisch an Greenaway zu orientieren scheint.
GOOD LUCK CHUCK - Zum Kotzen.
THE INCREDIBLE HULK - Großartig. Zuletzt in JOHN RAMBO so eine Dynamik und Kinetik auf der Leinwand erlebt, begonnen bei der furiosen Exposition, bis zum krachenden Finale. Dabei auch noch ein spürbar kluges Drehbuch, das den Hulk zur tragischen Gestalt irgendwo zwischen Mr. Hyde und King Kong zeichnet. Nebenbei dann die üblichen Diskurse verhandelt, zwischen Geist und Körper, Wissenschaft und Militär, dabei ähnlich technizistisch wie der ebenfalls feine IRON MAN. Nervig nur die Zugeständnisse an die Comic-Geeks. Auch hier wieder: so hätte TRANSFORMERS aussehen können.
KOMM, SÜßER TOD - Clever, ästhetisch interessant, und kein bemühtes Anspruchskino. Wenn man es in Deutschland auch nur endlich schaffen würde, so unverkrampft tolle Filme zu drehen...
MAD MAX - Spannend, wie hier die Fahrzeuge fast komplett den Platz der Schusswaffen eingenommen haben. Bezeichnend: Am Frühstückstisch steht neben Maxens Teller ein Spielzeugauto, während der kleine Sohnemann im Wohnzimmer mit Papas Dienstwaffe spielt. Ich kann allerdings verstehen, wenn die Holprigkeit der Erzählung vielen Leuten den Zugang zu dem Film verwehrt. Über die ganzen homoerotischen Untertöne auf beiden Seiten ließen sich übrigens auch lange Texte schreiben.
JAMES BOND: MOONRAKER - Es ist geradezu dreist, was für eine völlig zusammenhang- und belanglose Abfolge schöner Frauen und mittelprächtiger Verfolgungsjagden man hier als Plot-Ersatz serviert bekommt. Die Albernheit an vielen Stellen sowie die zahlreichen kleinen Referenzen (STAR WARS, GALACTICA und FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR) machen schon Spaß, aber diese süffisante Selbstverliebtheit des Moore-Bonds ist schon ziemlich anstrengend.
JAMES BOND: THE SPY WHO LOVED ME - Sehr komisch, wenn man die AUSTIN POWERS-Filme im Hinterkopf hat. Angesichts dieser fast zwangsneurotischen Sprücheklopferei wirkt die Satire beinahe überflüssig, das ist ohnehin kaum noch zu überzeichnen. Davon abgesehen: Einer der interessanteren Bonds, auch wie hier die russisch-britische Zusammenarbeit beschworen wird in einer Zeit, in der sich der OW-Konflikt mal kurz etwas entspannte... Vieles ist auch hier beliebig, aber im Vergleich zum folgenden Totalausfall MOONRAKER wirkt das sehr rund.
ESCAPE FROM L.A. - Mir völlig unverständlich, dass der Film so unbeliebt ist. Liegt das wirklich nur an der Handvoll billiger Spezialeffekte? Selten eine in jeder Hinsicht so konsequent durchdachte Fortsetzung gesehen, schon in seiner grundsätzlichen Prämisse: Im Vorgänger wurde noch New York zur lost zone deklariert, weil ein Wiederaufbau gegen die ganze Kriminalität unrentabel erschien. Jetzt ist es L.A. - weil der Wiederaufbau nach dem Erdbeben unrentabel erschien. Ganz heimlich, still und leise jubelt uns Carpenter da die gesamte Zwischengeschichte seit dem ersten Film unter, lässt den umgebenden Faschismus sich auch materialistisch verwirklichen, und legt einer "Gefangenen" in LA die Worte in den Mund, dass das wahre Gefängnis doch außerhalb der Mauern liege... Großartig auch Plisskens finales Wortspiel, unübersetzbar: "Welcome to the human race", der Aufruf zu einem neuen race der Zivilisationen, diesmal mit gleichen Ausgangsbedingungen. Mittendrin Plissken, anachronistisch in beide Richtungen, Relikt der Vergangenheit wie auch Zukunftsbringer. Dass sein Rettungsteam-Vorgänger gekreuzigt aufgefunden wird, ist da nur am Rande lustig... ESCAPE FROM L.A. steckt so voller Ideen, Carpenter hätte wahrscheinlich auch drei Filme draus machen können!
SAW - Der ist dieses Mal dann komplett als Belanglosigkeit an mir vorbeigerieselt. Selbst die vermeintlich drastisch-schmutzige Ästhetik erschien mir im Vergleich zum ungleich besseren WAZ nur noch banal.
THE DARK KNIGHT - Ich muss mich der latenten Unentschlossenheit mancher Besucher anschließen. Was Nolan da abgeliefert hat, ist ein Fest (zum Beispiel) für Politik-Theoretiker, ist ästhetisch höchst spannend, klug, aktuell, und all das. Allerdings blieb mir das Eintauchen in den Film verwehrt, es wollte sich mir kein emotionaler Zugang eröffnen. Ich habe den Verdacht und die Hoffnung, dass die mittelprächtige deutsche Synchro die Schuld daran trägt, bin mir aber nicht so sicher.
TRUE CRIME - Ein weiterer dieser Eastwood-Filme, in der er seine klassische Heldenpersona dekonstruiert. Schön finde ich ja, dass er sich in TC mal endlich komplett und ausschließlich auf den Machismo seiner alten Charaktere stürzen konnte, ohne noch nebenbei deren faschistoide Züge ironisch brechen zu müssen. Dieser Diskurs ist daher natürlich auch sehr viel deutlicher ausformuliert, und so subtil hat sich Eastwood in keinem anderen Film mit seinem eigenen Alter auseinander gesetzt. Schade ist eigentlich nur der etwas plumpe Plot ringsherum, an dem sich die elterlichen Konflikte seines Protagonisten zwar spiegeln und brechen können, aber dennoch den Diskurs ziemlich in den Hintergrund drückt.
THE DEFENDER - Sehr bemerkenswert, wie Lundgren hier aus offensichtlich minimalem Budget einen klugen Anti-Actionfilm dreht, der zwar ständig auf ASSAULT ON PRECINCT 13 rekurriert, dessen Plot aber um eine ziemlich dekonstruierende Sicht auf seinen Helden erweitert. Lundgrens Charakter erfüllt zuerst jedes Klischee, Kriegsveteran, harter Hund, usw., aber kann seine Qualitäten im Film nie entfalten, sondern entlarvt diesen Typus als letztlich bloß denjenigen, der das Glück hat, eben nicht wie alle anderen irgendwann mal hinterrücks abgeknallt zu werden.
JUNO - In der Zweitsichtung noch offensichtlicher: Wie sich JUNO eigentlich gar nicht um die adoleszente Schwangerschaft dreht, sondern vielmehr um das ganz vorsichtige Tasten in das Erwachsen-Sein, das lediglich in dem Baby eine physische Manifestation findet.
LOLITA - Habe mich ja sehr lange (Jahre!) vor diesem Kubrick gedrückt, immer instinktiv ein eher dröges Moralstück erwartet. Stattdessen fand ich eine richtig vergnügte Komödie, die zumindest mir als ziemlich böser Kommentar auf zeitgenössische und großproduzierte Screwball-Comedies erschien.
WILD HOGS - Genau dann witzig, wenn die vier mittelalten Herren versuchen, mit popkulturellen Zitaten und Beispielen beim jeweiligen Gegenüber Pathos zu erzeugen und dabei einfach immer gegen die Wand fahren. Diese (wenigen) Szenen demontieren sehr nett die "er will's auf seine alten Tage nochmal wissen"-Romantik - in der sich der Film ansonsten aber ziemlich unverhohlen suhlt.
THE ROAD WARRIOR (MAD MAX 2) - Über die verschiedenen Gender-Diskurse in diesem Film ließen sich viele Essays schreiben. Dabei ist es gar nicht der Protagonist, der hier noch als maskuliner Stereotyp herhalten darf. Vielmehr nimmt sich Miller verschiedenste Gender-Klischees (männlich wie weiblich) vor und generiert um jedes einen eigenen Charakter. Max selbst ist inmitten dieser Gestalten dagegen geradezu blass und geschlechtslos.