Das Schwein, das Caruso so liebt.
FFF 08: Shivers
Das fing ja alles sehr gut an: Die Prämisse um den photophoben Protagonisten mag zwar nicht direkt neu sein, hätte aber Anlass geboten, eine schöne Paranoia aufzubauen, ob er nicht doch in die Morde verwickelt ist. Blöd nur, dass gleich mal konstatiert wird, dass ja schon vor seiner Ankunft Schafe gerissen wurden, damit wäre das auch erledigt - die abergläubischen Dorfbewohner hat das aber nicht abgehalten, ihn dennoch zu beschuldigen. Als der Film dann ungefähr zur Halbzeit bereits sein Kindermonster aus dem Hut zieht, ging es endgültig den Bach runter. SHIVERS wirkt spätestens ab hier wie von der doppelten Laufzeit auf 90 Minuten heruntergekürzt. Dutzende Handlungsstränge deuten sich an, um sich ebenso schnell wieder im Sande zu verlaufen, Konflikte und Diskurse werden mal eben in Halbsätzen behauptet, und ein obligatorischer Plottwist darf natürlich auch nicht fehlen. Interessant bleibt zum Schluss lediglich die niedliche Kulisse eines spanischen Bergdorfes und das etwas seltsame Zeitkonzept des Films: Die Vorgeschichts-Rückblenden suggerieren hier stilistisch und mittels des Alters der erzählenden Personen ein Geschehen vor mehreren Jahrzehnten, obwohl es sich eigentlich erst vor einem Jahr abgespielt hat. Unzulänglichkeit oder Konzept, um den Mythos ebenso zu überkonstruieren wie den ganzen Plot?
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FFF 08: My Name is Bruce
Bruce Campbell feiert und dekonstruiert sich selbst, beides gleichzeitig. Das ist ja an sich alles ganz nett und amüsant, aber das Timing und Feingefühl von JACK BROOKS bringt Campbell im Setzen seiner Pointen viel zu selten auf. So bleibt am Ende eine Sammlung schöner Ideen (zB der nerdige Campbell-Fan, dem zur Anmache seiner Herzensdame lediglich ARMY OF DARKNESS-Zitate einfallen) plus ein gewohnt gutgelaunter (sich dabei seines Kultstatus beinahe ätzend bewusster) Bruce Campbell, inmitten einer noch größeren Sammlung flachster Kalauer und miserabler Struktur. Irgendwie fühlt sich das etwas schmutzig an, wie kalkuliert hier der Szenenapplaus aus einem Nerd-Publikum gemolken wird. Spaß macht es aber trotzdem einigermaßen.
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FFF 08: Martyrs
So, das war jetzt also das Allerschlimmste und -böseste und -deprimierendste und -brutalste und überhaupt? Und dann polarisiert das Ding angeblich auch noch so sehr, Meisterwerk oder perverses Machwerk und so?
Vorweg: MARTYRS kocht auch nur mit Wasser. Sehr viele der aktuellen Reaktionen sind schon auch schwer hochgekochtes Festival-Skandälchen. Das wird wohl daran liegen, dass der Film irgendwann seine Narration mal für 20 Minuten komplett fallen lässt und seine Protagonistin für diese Zeit einfach ununterbrochen foltert - naturalistisch mit Grobheit, Prügeln und Isolation, an Stelle des creative torture-Prinzips von HOSTEL und Konsorten. Die ganze Debatte um die vermeintliche Kompromisslosigkeit geht aber völlig am Film vorbei. Die Qualen der Protagonistin so ausführlich zu zeigen, macht Sinn, übertragen sie doch ihre Rolle auf den Zuschauer. Der Plot um die existenzialistische Sinnsuche im Schmerz und Leid (anderer) ist auch nicht das, was MARTYRS letztlich doch wieder so unspektakulär in der Versenkung verschwinden lässt. Vielmehr liegt dem Film kaum mehr als genug Stoff für einen halbstündigen Kurzfilm zu Grunde. Der gesamte Plot bis zum Beginn von Annas Martyrium ließe sich komplett rausstreichen. Sicher, er illustriert, dass Anna kein Einzelfall ist, aber das hätte auch der 16mm-Vorspann alleine schon bewerkstelligen können. Diese ersten zwei Drittel des Films sind im Grunde nicht mehr als ein relativ billiger Exploiter, der den folgenden Plot als nur wenig mehr als einen Vorwand benutzt, diverse Spezialeffekte abzufeiern und sich dabei an ein Horror-Publikum anzubiedern. Ein ähnliches Konzept viel besser umgesetzt findet sich bereits im großartigen WAZ vom FFF07, sowie in THE HOLE vom FFF06. MARTYRS ist keineswegs schlecht oder auch nur annähernd so bemerkenswert wie alle sagen. Viel Lärm um fast nichts.
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FFF 08: Jack Brooks - Monster Slayer
Ja. Funsplatter-Trash. Klingt schrecklich. Ist es überraschenderweise nicht. Stattdessen verzichtet der Film auf allzu platte Furzwitzchen und beweist für seinen Slapstick überraschend feines Timing. Gerade Kultfigur Englund hat mich zum ersten Mal positiv überrascht und beweist tatsächlich mal komödiantisches Talent, das über ein bloßes Zurschaustellen seines Status als Nerdkultobjekt hinausgeht. Als sehr guter Einfall erwies sich auch, den Protagonisten mit einer kleinen backstory auszustatten, mit dem Problem, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Es sind gerade solche Einfälle, die dem ansonsten etwas kalkulierten Trash Seele verleihen.
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FFF 08: 100 Feet
Super, wie der Film seine Metaphorik um häusliche/eheliche Gewalt aufbaut und dabei tatsächlich das wenigstens für mich in einem Horrorfilm ziemlich neue Konzept der Außenansicht verfolgt. Überhaupt, ihn als Gruselfilm zu verstehen, wird dem Film gar nicht so sehr gerecht: Immerhin gibt es keinen Geistergrusel, sondern ein Gespenst, das einfach unmissverständlich da ist, sich nicht lange ankündigt mit typischen Stilmitteln, sondern stattdessen ziemlich beinhart und plötzlich zuschlägt. Mir fällt auf Anhieb auch kein Geisterfilm ein, der die Bedrohung so physisch inszeniert und dabei doch immerhin über drei Viertel seiner Laufzeit auf Schock-Exploitation verzichtet. Besonders bemerkenswert ist eine Szene, in der Famke offenbar mal wieder von ihrem toten Ehemann verprügelt wird, wir aber nur aus den Ohren des sie beschattenden Polizisten ihre Schreie aus dem Haus dringen hören. Ihre Wunden und blauen Stellen zeugen dann immer davon, dass etwas passiert ist, und sie leugnet, wie die Ehefrau, die ihren Mann nicht belasten will: "Ich bin die Treppe hinuntergefallen." Die unterwürfige misshandelte Frau wurde sie aber erst nach dem Mord an ihrem Mann, nachdem alle (buchstäblich: alle!) Versuche, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, erfolglos blieben.
Das klingt alles sehr toll, und so empfand ich es auch, eben über die oben genannten 75% seiner Laufzeit. Danach besinnt er sich leider seines vermeintlichen Genres, und fährt ein doch etwas hanebüchenes und viel zu krachendes Finale auf, indem Famke die Abnabelung von ihrem Göttergatten endlich gelingt - wenn auch mir völlig unverständlich, wodurch sich denn ihre innere Wandlung jetzt vollzogen hat.
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FFF 08: The Midnight Meat Train
Hochspannende Geschichte um das Funktionieren einer modernen Großstadt. Stefan und ich haben gestern im Auto nach Aufnahme des Podcasts noch ein wenig diskutiert, ob Kitamura hier eher utopische oder dystopische Zustände zeichnet. Immerhin ist die stereotypische Großstadt, durch die der MIDNIGHT MEAT TRAIN fährt, höchst funktionabel. Verbrechen und Schmutz ist beinahe daraus entfernt, nicht zuletzt dank panoptischer Überwachung(skameras). Die Suche nach Missständen wird ja sogar zur Aufgabe für den Künstler-Protagonisten, ist also keineswegs selbstverständlich einfach zu bewerkstelligen. Auf der anderen Seite ist die Funktion ja bloße Oberfläche, geschaffen durch die klare Trennung von der Dimension des Bösen und Hässlichen, indem eben irgendwelche Zombies unterirdisch mit Menschenfleisch versorgt werden. Sehr interessanter Film, den ich mir auf jeden Fall mal für meine Magisterarbeit vormerken muss. Albern waren lediglich manche Manierismen des Regisseurs sowie die zwanghafte Über-Erklärtheit des Finales. Dem Diskurs tat das keinen Abbruch.
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FFF 08: Outlander
Publikumsärgernis die zweite: Die letzten 90 Minuten des Films haben die drei "Pissflitschen" (Oli) hinter Oli, Leena und mir konsequent und wirklich ohne Pause durchgequasselt, in der festen Überzeugung, hier in einer stumpfsinnigen HOUSE OF THE DEAD-Fortsetzung zu sitzen, bei der man jede Szene mit grottendämlichen Kalauern kommentieren kann.
Der Film - so überraschend das klingen mag - hat diese Behandlung nämlich tatsächlich nicht verdient. Sicher, die Panoramafahrten sind abgedroschen, der Plot (Außerirdischer Soldat geht gemeinsam mit Wikingern auf Alien-Hatz) ein wenig pulpig und so das allerbeste Gespür für eine Wohldosierung des Pathos bewies der Regisseur auch nicht unbedingt. Dennoch: OUTLANDER bebildert seinen Diskurs um den moralisch-evolutionären Stillstand sehr konsequent, lässt die futuristische Heimatwelt von Jesus Caviezel dem abgebrannten Wikingerdorf doch beängstigend ähnlich wirken und legt ihm schließlich sogar noch ein "We're not different from you"-Selbstbekenntnis gegenüber den brandschatzenden Wikingern in den Mund. OUTLANDER ist allerbeste Unterhaltung, funktionabel in jeder Sequenz (OK, vielleicht 15 Minuten zu ausufernd, aber sonst...), und keineswegs diskursarm, wenn auch unaufdringlich.
Im Übrigen wäre dieses Wikinger-Setting auch ein schöner Hintergrund für eine Alien- oder Predator-Geschichte (oder beides)...
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FFF 08: Blind
Nach ART der zweite Film, den ich eher beim Münchner Filmfest vermutet hätte. Beeindruckt hat mich bei BLIND die wunderschöne Kamera und die Bildkadrierung, die von einer großen Leinwand besonders profitiert, indem sie das Geschehen oft an den Rand diverser Panoramen verlegt. Angesichts des Plots um einen blinden Protagonisten ist diese Ästhetikverliebtheit natürlich besonders beißend, spiegelt sich aber in der konsequenten Ödnis und Farblosigkeit der Winterlandschaften. Farblosigkeit, hier manifestiert sich dann die Protagonistin...
Kunstvoll, wie sich die Liebesgeschichte in der Bildästhetik wiederfinden lässt, auch das parabelhafte Märchen von der Schneekönigin, das durch den Film hindurch immer wieder erzählt wird, gibt eine schöne Vordeutung auf das Ende des Films. Der Diskurs gerät zwar etwas kitschig, aber dank der völligen Unaufgeregtheit des Films macht das überhaupt nichts. Ein wenig litt er bei mir darunter, dass ich eigentlich auf diese Art Film gerade so überhaupt keine Lust hatte. Aber das ist jetzt nur noch subjektiv.
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FFF 08: The Art of Negative Thinking
Richtiggehend widerlich, wenn offenbar 80% des Publikums sich dank des Programmheftes und eines Protagonisten, der dem großen Lebowski marginal ähnlich sieht, vollkommen sicher ist, sich in einer "abgedrehten Komödie" mit "genialen Dialogen" und "coolen Figuren" zu befinden und infolgedessen einfach jede tragische Szene mit peinlichem Lachen quittiert. Aber wahrscheinlich sind das alles Leute, die der festen Überzeugung sind, dass Behinderte auch prinzipiell eigentlich lustig sind, aber es halt unkorrekt ist, über sie zu lachen. Zum Glück darf man das hier, wenn einer aus dem Rollstuhl fällt.
Immerhin, der vermeintliche comic relief steht durchaus in Einklang mit dem Inhalt des Films. Schließlich geht die Selbsthilfegruppe ja gerade an der aufgezwungenen "think pink"-Attitüde zu Grunde, die den Leidenden völlig verwehren will, mit ihrem Leben unzufrieden zu sein und stattdessen alles mit eingefrorenem Lächeln und Sonnenschein aus dem Arsch hinzunehmen. So gesehen scheitert das Publikum ebenso wie die Gruppenleiterin, nur dass ersteres wahrscheinlich nicht mitbekommt, dass die Gruppenleiterin schlussendlich als die einzige wirklich kaputte Gestalt reintegriert wird, während sich die vermeintlichen Witzfiguren dank ihres neuen un-kalaurigen Selbstbewusstseins langsam mit ihren Problemen auseinandersetzen.
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FFF 08: Eden Lake
Eröffnungsfilm und mal wieder - wie Oli so schön formuliert hat - der typische Griff ins Klo. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Eröffnungsfilme des FFF traditionell besonders miese Festivalbeiträge sind, sie sind vielmehr traditionell besonders mediokre, die sich aber gleichzeitig unglaublich wichtig und überbordend und clever präsentieren. So auch hier: Der Diskurs über Gewaltbeziehungen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, der hier an allen Ecken und Enden ins Gesicht des Zuschauers gespuckt wird, ist ja tatsächlich nett eingeführt. Die Protagonistin ist Grundschullehrerin, und wird natürlich in einer Szene eingeführt, die sie als besonders liebes und gutmütiges Exemplar zeigt. Die anschließende Autofahrt zum Eden Lake ist dann begleitet von einem Medley aus Radiosendungen zu familienpolitischen und pädagogischen Themen, und beim Zwischenstopp darf man natürlich kurz erschreckt aufschauen, als ein Kind von seinen Eltern eine schallende Ohrfeige einfängt. Umso reaktionärer wird es dann, wenn die gutmütige und antiautoritäre Lehrerin mit ihren Methoden an der völlig missratenen Landjugend Englands scheitert - um dann anzuhängen, dass auch dort natürlich der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist und die Asozialität genetisch vererbbar sei, wie Stefan angeführt hat. Immerhin wirft EDEN LAKE die Frage auf, ob nicht erst der Verstoß gegen ihre Prinzipien das Schicksal der Lehrerin abschließend besiegelt hat. Ob das den reaktionären Ton des Films abmildern kann, bin ich mir noch unschlüssig.

Am Rande: F-LM-Podcast mit u.A. meiner Beteiligung
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