Das Schwein, das Caruso so liebt.
FFF 08: Mirrors
Stangenware, schon wieder. MIRRORS verweigert sich jeder inhärenten Logik, sondern schreibt seiner Filmwelt die Gesetze lieber szenenweise auf den Leib. Diegetische Physik ergibt sich ausschließlich aus der dramaturgischen Notwendigkeit, nicht aus vorher bereits etablierten Plotelementen. An sich würde mich das sogar nur kaum stören, allerdings ist es der Spannung doch sehr abträglich, da es den Gruselplot in dreister Beliebigkeit versinken lässt. (Unfreiwillig?) komisch gerät dabei die Rolle Kiefer Sutherlands: Er scheint mir seit 24 endgültig verbrannt, noch einmal eine andere Rolle als einen nur notdürftig variierten Jack Bauer zu spielen. Sätze wie "Don't make me threaten you!", "You've got to trust me on this!" und "I need you to run a name for me!", vorgetragen in bester 24-Verzweiflung, raubten mir doch ein wenig die Ernsthaftigkeit, erst recht im Zusammenhang mit terroristischen Spiegelgespenstern.
Interessant oder gar gelungen ist MIRRORS in handwerklicher Sicht leider kaum, allerdings sind die Diskurse des Plots umso spannender. Im Podcast verweist Stefan darauf, dass die Spiegel hier ein besonderes Medienbild suggerieren und allegorisch verhandeln, auch ihre mystische Bedeutung als Übergänge zweier gegenteiliger Raumkonzepte findet sich in Ansätzen in MIRRORS (während der letztjährige RETRIBUTION sich wesentlich ausführlicher diesem Komplex widmet). Liest man MIRRORS als sicherheitspolitischen Kommentar - was ja auch schon die Besetzung mit Amerikas Terroristenfeind Nummer eins, Kiefer Sutherland, nahelegt - so fällt auf, dass die Bedrohung, die lange Zeit körperlos und allgegenwärtig (in sämtlichen spiegelnden Flächen manifestiert, also gleichzeitig auch Abbild unserer Selbst) vorhanden ist, erst bekämpft werden kann, nachdem sie in einen greifbaren Körper reimmaniert wurde. Dabei ist die Erkundung ihres Ursprungs wichtiger Schlüssel für diese Greifbar-Machung der Gefahr. MIRRORS ist dabei in seinem Plot ein besonders anschauliches Beispiel, welche Mechanismen und zeitgenössischen Allegorien im aktuellen Genrekino zur Angsterzeugung herangezogen werden, und in welche Richtung eine Auflösung noch als kathartischer Effekt funktionieren kann. Besser macht das Ajas jüngsten Film nicht, aber wenigstens sehenswert.
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FFF 08: Shuttle
Da ist sie endlich, die Gurke, auf die ich seit 5 Tagen beinahe nervös warte! Der Plot um die zwei bis fünf entführten Personen ist es nicht einmal, der SHUTTLE letztlich zum Verhängnis wird. Auch die scheunentorgroßen Löcher im Drehbuch und die unzähligen retardierenden Hutkaninchen, die selbiges hervorzaubern muss, um das Minimalkonzept irgendwie auf Spielfilmlänge zu strecken, sind verzeihlich. Was Stefan hier als Erzählstrategie erklärt, will mir nicht einleuchten. Warum sollen diese Unzulänglichkeiten jetzt den Blick auf den Mensch als Ware erst ermöglichen? Klar, sie sind es, die SHUTTLE zu Stangenware machen, indem sie den Film eben 90 seiner 105 Minuten ohne eigene Idee auf Genrekonventionen reiten lassen. Dennoch, der intentionelle Ansatz dahinter bleibt mir verschlossen, wenigstens wenn die Umsetzung so unendlich langweilig ist, wie bei SHUTTLE der Fall. So muss ich nämlich doch einfach gewaltiges Unvermögen vermuten.
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FFF 08: Mad Detective
Meine Mitstreiter waren wohl deutlich weniger angetan von diesem Johnnie To, und ich will auch gar nicht ausschließen, dass mein Vergnügen zu einem beträchtlichen Teil daraus resultierte, dass ich mich dem Hongkong-Krimikino seit einiger Zeit semibewusst verschließe und der DETECTIVE deswegen seit langer Zeit der erste Film aus der Ecke war, den ich gesehen habe. Spannend an ihm ist jedenfalls kaum der Plot um den verschwundenen Polizisten und seine Waffe, und die Marotten und Wahnvorstellungen seines Titelhelden erschienen mir auch eher als traurig bemühter Versuch, den Film mit ein wenig Absurdität zu würzen. Sehr schön gelingt MAD DETECTIVE allerdings die Umsetzung der Idee, Waffen mit Identität untrennbar zu verknüpfen, beinahe gleichzusetzen. Dass man sich diesem Motiv aber auch ausführlicher und weniger oberflächlich hätte widmen können, steht außer Frage.
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FFF 08: Ca$h
Ocean's 73, auf französisch. Jean Dujardin macht den Clooney, und das durchaus charmant, und Jean Reno gibt hier wohl Pitts Brad. Neu ist das alles natürlich gar nicht, sondern bedient sich ästetisch wie inhaltlich bei Soderbergh und dessen Vorgängern. Trotzdem habe ich für diese Art von Con-Movie ein nicht zu leugnendes Faible, und auch CA$H löst alles ein, was das Genre verspricht.
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FFF 08: Downloading Nancy
Zwei Namen haben mich in diesen Film gelockt (und die Aussicht, von REPO ganz furchtbar gequält zu werden): Maria Bello vor und Christopher Doyle hinter der Kamera. Die typische Bildästhetik des letztgenannten ist dabei im fertigen Film gar nicht mal so leicht auszumachen. Anders als in den Wong Kar-Wai-Filmen mit seiner Beteiligung ist der Schnittrhythmus in NANCY deutlich zu schnell, um ihm Raum für das typische elegische Abfahren der Settings zu bieten. Stattdessen ist die Bildästhetik nervös und unruhig. Das Stilmittel, eine unbewegte Kameraeinstellung mit leicht wackelnder Handkamera zu filmen, ergibt einen bedrückenden Effekt von etwas verstohlenem Voyeurismus, der ständig damit hadert, jetzt ins Bild zu treten und in das Geschehen einzugreifen. Oli und Leena haben nach dem Film (treffenderweise) darauf hingewiesen, dass Bellos Film-Ehemann Rufus Sewell so richtig eklig sei... Beachtlich an NANCY finde ich aber eigentlich, wie zwiespältig dieser vermeintliche Unsympath dabei ist: Schließlich ist die... ungewöhnliche Sexualität seiner Frau nicht das Resultat seiner Vernachlässigung, sondern einer Misshandlung in der Kindheit durch ihren Onkel - Sewell ist also nicht so sehr Täter, wie ebenfalls Opfer, und sein Fehl- und Fluchtverhalten in Golf-Entspannungsübungen vielmehr Ersatzhandlung und damit Folge, nicht Ursache. Schlussendlich setzt NANCY da an, wo ein Torture Porn mit Happy End aufhört: Bei der Problembewältigung im restlichen Leben der Opfer. Auch Nancy ist ein Charakter, der den Freitod nicht wählen kann, weil er sich viel früher dafür hätte entscheiden müssen, sich aber damals für das Aushalten und den Kampf entschieden hat.
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FFF 08: Let the Right One in
Erstes ganz großes Festivalhighlight. Sehr behutsam bebilderte Geschichte um verhinderte Adoleszenz, die den Vampirmythos als sehr clevere Metapher zur Illustration einer präpubertären Asexualität benutzt. Auch die Behutsamkeit, mit der hier bestimmte Vorgänge und Diskurse auf bildlicher Ebene eine Entsprechung finden, ist bemerkenswert: Die Ankunft des Vampirmädchens im Quasi-Leichenwagen; die allmähliche Annäherung zwischen ihr und Oskar, die sich im Näherkommen auf den verschiedenen Ebenen eines Klettergerüstes im Innenhof der Wohnsiedlung manifestiert; die (Ehe-)Ringe, die Eli von ihren Opfern einsammelt und aufbewahrt. Letzteres ist natürlich ein tolles Bild für von Kinderhand zerstörte Paarbeziehungen, ein Motiv, das sich ohnehin durch das diesjährige Festival zieht. Großartig auch, wie die "ungefähr zwölfjährige" Eli hier nicht nur in einem Kinderkörper (wie ihre Entsprechungen in NEAR DARK oder INTERVIEW WITH THE VAMPIRE) gefangen ist, sondern auch in einem kindlichen Geist. Das einzig erwachsene an ihr ist ihr Blutdurst, und das wiederum bebildert sich in einem großartigen Spezialeffekt, der das kleine Mädchen mit dem Gesicht einer erwachsenen Frau ausstattet. Ich könnte noch viel mehr schreiben, vieles ist auch in unserem F-LM-Podcast ausgeführt. Deutscher Kinostart als Weihnachtsfilm ist unter dem Titel "So finster die Nacht" für den 23.12.08 angesetzt.

Erschreckend ist übrigens, wie das FFF-Publikum selbst einen so ausnehmend schönen und ernsten Film mit vereinzeltem Szenenapplaus bei den grafischeren Szenen in eine Party verwandeln will.
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FFF 08: Dance of the Dead
Keineswegs so fremdschäm-schlimm, wie vielerorts behauptet. Vieles ist hier gar nicht uncharmant, die Tanzeinlage mitten unter den Zombies sowie das gegenseitige Fressen des zu Lebzeiten noch verhinderten Liebespaares sind genau die tollen Einfälle, von denen der Film allerdings deutlich mehr bräuchte. So bleibt schließlich nur wenig mehr als konsequentes nerd-jerking mit den schon hundert Mal gesehenen Zutaten um vermeintlich kreatives Zombieklopping und vorhersehbarste Kalauer. Erstaunlich, dass so etwas in der vierundneunzigsten Neuauflage immer noch bei so vielen (Festivalbesuchern) so gut ankommt, aber DANCE OF THE DEAD ist wenigstens keinesfalls die schlechteste dieser alljährlichen Regress-Eskapaden. Eine besonders gute aber natürlich auch nicht.
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FFF 08: Summer Scars
Nicht schlecht, keineswegs, aber irgendwie pointless. Schön, wie viel man aus einem anscheinend nur dreistelligen Budget herausholen kann. Dennoch: Das Ergebnis ist recht diskursarm und auch die sich entwickelnden Konflikte und Dilemmata wirken eher behauptet als sich aus dem Plot ergebend. Als Coming-of-Age-story ist SUMMER SCARS zu dünn und nimmt sich mit der ganzen Gruppe unterschiedlicher Jugendlicher auch eindeutig zu viel vor, als dass eine Entwicklung noch ausformuliert werden könnte. Auch die TV-Ästhetik tut ein übrigens, den Film eher wie ein nachgespielt-dokumentarisches Feature wirken zu lassen, bei dem die Redaktion ein wenig die Zeit vergessen hat und deswegen auf 75 Minuten Laufzeit gekommen ist. Der im Programmheft hergestellte Bezug zu STAND BY ME passt übrigens ausnahmsweise mal wie die Faust aufs Auge.
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FFF 08: JCVD
Dekonstruktion eines Kinohelden. Ebenfalls ganz toller Film, der allerdings ein wenig unter der propagierten Prämisse litt, eine selbstironische Komödie zu sein. Nicht, dass JCVD diese Selbstironie Van Dammes nicht auch tatsächlich aufweisen würde, das tut er durchaus, aber sie ist keineswegs so vordergründig und wichtig, wie man das vermuten könnte. Vielmehr konzentriert sich der Film - durchaus ernst - auf die Dekonstruktion seines Titelhelden und Schauspielers, setzt die Selbstironie dabei nur als sehr pointierten comic relief. Nervig am Film selbst ist nur der unbedingte Manierismus der Inszenierung, voller Sepia-Filter und ewig langer shots, von denen längst nicht alle funktionieren. Diese Gestaltung scheint den Film auf Schauwerte reduzieren zu wollen, ohne dieses Versprechen tatsächlich einlösen zu können.
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FFF 08: The Strangers
Dieses zum Konzeptfilm reduzierte Setting hatte es mir schwer angetan, und auch die von vielen angemerkte Redundanz der Ereignisse kann ich kaum nachvollziehen, oder will sie sogar gerne als Teil des Konzeptes lesen. Immerhin spiegelt das durchaus auch andere Genrefilme, nur dass es hier eben durch den sehr komprimierten Plot besonders augenfällig wird. Unabhängig davon ist STRANGERS aber ästhetisch ein besonderer Genuss: Die Stelle, als nach völliger Stille, die nur von den jeweils einzelnen plotrelevanten Soundeffekten durchbrochen wurde, plötzlich all diese Sounds gleichzeitig in einer regelrecht Panik schürenden Kakophonie über einen hereinbrechen, ist ein großartiges Beispiel für die grandiose Tongestaltung des Films. Obendrein auch ein Beleg für die These, dass STRANGERS sehr bewusst mit seinem Genre umgeht, wenn er hier die Tonspur seiner Mitbewerber (in denen man unheimliche Geräusche immer aus irgendeinem Grund hören kann, egal, welche Soundkulisse eigentlich herrscht) beinahe satirisch kommentiert, indem er die Zusammensetzung des Tonhintergrundes erst nacheinander abspielt, bevor er die Teile zusammenfügt. Ähnlich großartig empfand ich die Kamera, übrigens. Mehr dazu im F-LM-Podcast.
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