Das Schwein, das Caruso so liebt.
FFF'09: HANSEL AND GRETEL (Yim Pil-Sung, Südkorea 2007)
Das geht schnell: Als nach wohl 60 oder 70 Minuten die Einblendung "Final Day" erschien, war ich sehr erstaunt, wie kurzweilig der Film doch gewesen war - im Hinterkopf nur die Gesamtlaufzeit von zwei Stunden und das mangelnde Vertrauen in mein Zeitgefühl. Dann aber elaboriert H&G über 30 Minuten eine Hintergrundgeschichte, die nach den ersten drei bereits komplett erzählt war, gefolgt von einem ewig unspannenden Hin und Her: "Lasst mich bitte gehen!" - "Warum willst du uns verlassen?" - "Ihr Erwachsenen seid doch alle gleich!" - "Lasst mich bitte gehen!" - "Warum willst du uns verlassen?" ...
Dabei wäre HANSEL AND GRETEL bis dahin durchaus schön gewesen: Gerade die Entscheidung zum gelegentlichen Understatement inmitten der Überausstattung des Märchenhauses war toll, besonders die Wald-Szenen sind mir hier aufgefallen, die ständig auf dem kontrastreichen Grat zwischen Naturalismus und bunter Überzeichnung wandeln. Warum aber ein Film, der sich so explizit selbst gerne als Märchen verstehen will, am Ende alles toterklären muss, will mir nicht in den Kopf. Und letztlich ist die nervtötende zweite Hälfte sogar so schlimm, dass ich nicht einmal den Anfang rückblickend noch genießen kann.
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FFF'09: TRICK'R'TREAT (Michael Dougherty, Kanada/USA 2008)
Ein wenig skeptisch war ich anfangs ja schon: Erstens kommt vor dem Film einer nach vorne und erzählt was von einem "großen Spaß" mit "tanzenden Werwölfen", und dann hatte ich noch im Hinterkopf, wie gerne der Film jetzt schon als "bester Halloween-Film" abgefeiert wird... Dazu dann noch die Strukturierung in kleine Episödchen á la TALES OF THE CRYPT, und das ganze anschauen inmitten potentiell johlender Idioten. Zum Glück kam dann so ziemlich alles auch ganz anders: Die Episodenstruktur, die immer wieder erwähnt wird, ist eigentlich gar keine. TRICK'R'TREAT ist vielmehr ein Medley durch den Saisonbedingten Wahnsinn, das ständig durch seine verschiedenen Sub-Genres flattert wie eine aufgeschreckte Fledermaus. Natürlich lebt der Film von den verschiedenen Gimmicks und kleinen shocking twists, die er seinem Publikum präsentiert, wenn er jedem Protagonisten eine Maske verpasst, die irgendwann gelüftet wird. Schade in diesem grundehrlichen und so gar nicht kalaurigen Retro-Vergnügen ist eigentlich nur, dass ihm ein wenig der Mut fehlt, noch zerklüfteter, impressionistischer zu sein. Da gibt es eine kurze Sequenz, in der ein Vampir am Rande einer Halloween-Parade eine junge Frau aussaugt und dann zwischen ein paar Betrunkene an den Straßenrand setzt. Kurz danach ist der Vampir verschwunden, und die Episode vermeintlich beendet, von mir schon als sehr nettes skurriles Randereignis abgehakt. Leider kommt Dougherty aber schließlich nicht umhin, auch diese Figur erklären zu wollen und in den Kontext einzubauen, was ich doch recht schade fand.
So oder so: TRICK'R'TREAT ist jedenfalls genau das, was sogar ich guten Gewissens als kurzweiligen Spaß beschreiben kann. Ein Stimmungsfilm - also einer, der sie wiedergibt -, und wie ein schönes Intro vor einer ganzen Genre-Reihe... eigentlich der perfekte Eröffnungsfilm für ein solches Festival.
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FFF'09: LAKE MUNGO (Joel Anderson, Australien 2008)
Eine Geistergeschichte, die eigentlich keine ist, und dann vielleicht doch eine ist. Das fasst ganz gut zusammen, was ich dem Film ein wenig übel nehme. LAKE MUNGO kokettiert an vielen Stellen sehr mit seiner Platzierung im Genre, behauptet Grusel, wo keiner ist, und verleitet mit seiner TrueCrime-Dokuästhetik dazu, die Geisterbilder als Beweismittel zu lesen. Bis sich dann nach 45 Minuten der ganze bisherige Verlauf negiert, wenn sie als Fälschungen entlarvt werden, bloß um die Kamera zum Schluss in den Fälschungen andere Geistererscheinungen entdecken zu lassen. Sicher ist das ein schönes Spiel mit der Beliebigkeit solcher Phänomene, und LAKE MUNGO gelingt auch, die Sinnsuche und Trauerarbeit der Familie in eine allegorische Geschichte zu verpacken. Aber es ist andererseits gerade das Exploitation-Element, an dem ich mich gestört habe. Dass LAKE MUNGO noch spannend funktionieren könnte, wenn es sich nicht an so vielen Stellen mit einer klassischen Gruselfilm-Ästhetik schmücken würde, die aber kaum Berechtigung erhält. Mir jedenfalls blieb der Film nicht zuletzt deshalb fremd.

F.LM-Podcast
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FFF'09: PONTYPOOL (Bruce MacDonald, Kanada 2008)
Ein Horrorfilm, der seinem ZuSCHAUER die Bilder verweigert, und damit auch das Verständnis dessen, was eigentlich passiert. Der erfahrene Radiomoderator Grant Mazzy, der die Einwohner des kleinen kanadischen Nests mit politischer Kompromisslosigkeit wachrütteln will, ringt immer wieder nach Worten für das, was sich offenbar auf der Straße abspielt: ein "riot", ein "mob", ein "uprising"... Nichts scheint so recht zu passen, aber alles entstammt seiner politischen Sphäre, während der Zuschauer die Zeichen - Andeutungen von Kannibalismus und anderem Zombietum - längst deutet... Bis dann der spanischstämmige Doktor in die Radiostation kommt und erklärt, dass die Täter so etwas wie Sprachzombies sind, also Menschen, die ihre ratio in der Sprache verloren haben, und alles stupide wiederholen, was sie aufschnappen - auf der Suche nach noch nicht infizierten Wörtern, denn es ist die englische Sprache, die ihren Zustand irgendwie ausgelöst hat. Es ist diese verzweifelte Suche nach Verständnis, die aus den Bürgern Pontypools Zombies macht, und Grant ist ein großer Erklärer, Dinge zu erklären, das ist sein Job. Dass sich der Film gegen Ende in postmodernen Dadaismus flüchtet, ist so konsequent wie großartig. PONTYPOOL ist ein Film über Sprache und ihre Präzision, über den ständigen Konflikt zwischen Signifikanz und Bedeutung, der sich in ihrem Umgang ergibt. Und PONTYPOOL ist wohl auch so ein Film, den ein Leser der Buchvorlage für unmöglich halten musste, bevor er gedreht wurde. So hochtheoretisch das Horrorkonzept auch ist, PONTYPOOL funktioniert, als Spannungskino ebenso wie als Reflexion. Die hypnotische Stimme von WATCHMEN-Night Owl Stephen McHattie trägt ihren Teil dazu bei, dass man zwar jederzeit wegsehen, nie aber weghören kann. Und wenn sich die Protagonisten schließlich vor dem Sprach-Irrsinn in ihre schalldichte Aufnahmekabine flüchten und selbst dort nur noch über geschriebene Worte kommunizieren, dann stellt PONTYPOOL die Bedeutung von Naivität und Aufklärung endgültig in Frage. Wahn-Sinn.
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