Das Schwein, das Caruso so liebt.
CABIN FEVER 2: SPRING FEVER (Ti West, USA 2009)
Teil eins habe ich in ganz guter Erinnerung, trotz der allgemeinen Abneigung, die dem Film wohl entgegengebracht wird. Teil zwei reiht sich da, wenigstens nach meiner Erinnerung, recht nahtlos ein. Natürlich ist das albern, natürlich ist vieles daran ein bißchen aufdringlich Meta. Aber im Gegensatz zu anderen Vertretern des schlimmsten aller Genres, der Splatterkomödie, gelingt es Ti West, seine eklige Matschgeschichte so charmant zu erzählen, dass selbst die allergröbsten Albernheiten nicht hemmungslose Fremdscham auslösen müssen. Das allein muss ich ihm schon hoch anrechnen. Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass ich das abjekte Gepansche stets nur mittelmäßig lustig fand. Beeindruckend fand ich vielmehr, wie oft es West gelang, neben ihrer Gimmickhaftigkeit auch tatsächlich das identitätsbedrohende Potential der Krankheit ins Bild zu rücken. Teil eins hatte eine Sequenz, in der ein Mädchen in Tränen aufgelöst ihren eigenen Verfall beobachten muss, ein Mädchen, das sich davor noch so viel auf ihr Äußeres eingebildet hat. Damals war es Eli Roth, der treffend schildern konnte, dass die Angst um das Leben nur eine von vielen ist. West macht, im wohl stärksten Moment des Films, das Gleiche, als er ein schwangeres Highschoolmädchen zeigt, das aus allen Poren blutend in der Schultoilette kauert und langsam realisiert, dass irgendwo in dem ganzen Blut wohl auch die Reste ihres ungeborenen Kindes liegen müssen.
CABIN FEVER 2 ist natürlich weitgehend regressiver Quatsch, aber als solcher dann doch auch erfrischend ehrlich. Eben weil er sein ursprüngliches Genre, den Horrorfilm, nicht beständig mit irgendwelchen Zoten verrät, sondern das Gespür dafür wahrt, dass die Horrorkomödie ursprünglich aus dem comic relief entstanden sein muss. Das Ergebnis ist sicherlich kein großartiger Film, aber doch eindrucksvoll - und zwar immer dann, wenn West seinem Publikum mit der nächsten Slapstick-Nummer wieder ein bißchen Eskapismus gewährt.
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CARRIERS (Alex & David Pastor, USA 2009)
Vorweg: Das ist der bestimmt beste Eröffnungsfilm, den ich selbst im siebten Dauerkartenjahr gesehen habe. Ein kurzer Blick in die Historie ergänzt: wohl der beste Eröffnungsfilm seit SCREAM 1997. Danach: Mir sind die vielen negativen Stimmen recht unbegreiflich. Seit ein paar Jahren geht das FFF doch schon den Weg, etwas weniger spaßigen Quark zu programmieren und dem ruhigeren Kino am Außenrand der Genres mehr Platz einzuräumen. Und CARRIERS ist wirklich kaum noch ein Genre-Film. Klar, Seuche, Postapokalypse, ein paar Motive sind schon da. Aber die Pastor-Brüder interessieren sich doch kaum dafür, eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern machen nur wenig Hehl um die Parabelhaftigkeit ihres Plots. Ein Beispiel, eine der letzten Einstellungen, eine Rückblende in die Kinderzeit: Zwei Jungs, auf der Veranda irgendeines Strandhauses, daran weht, leicht zerknüllt, eine amerikanische Fahne. Der eine der beiden Jungs streckt sich, will diese Fahne berühren, kommt gerade so nicht dran, gibt auf. CARRIERS legt viel Wert darauf, ein Amerika zu zeichnen, in dem letztlich das Sicherheitsbedürfnis jedes Einzelnen jede Menschlichkeit überschatten muss. Es geht CARRIERS auch nie um einen rationalen Umgang mit der Situation, um den Versuch, einen richtigen Weg durch dieses Amerika an den einst paradiesischen Strand zu finden. (Der Strand ist hier übrigens toll als Frontier-Topos gesetzt, in einem eigentlich erschlossenen Amerika, wo eben die Katastrophe, die ja auch eine menschliche Katastrophe ist, noch nicht angekommen ist.) Einmal finden die vier Reisenden einen Menschen, aufgeknüpft an einem Strommast, mit einem Schild um den Hals: "The Chinks brought it!", die behauptete asiatische Abstammung höchstens marginal zu erkennen. Später dann, ein Hotel und Golfclub, in dem sich eine Gruppe von Männern verbarrikadiert hat, die längst eine souveräne Gesellschaft gebildet haben, die am Außen und seinen Menschen nicht mehr interessiert ist. In CARRIERS prallen auch die Positionen der zwei reisenden Brüder aufeinander, von denen der eine zwar erst lange das zynische Gruppenarschloch sein darf, ehe er dann plötzlich die Hintergründe für seinen Zynismus offenbart. Er ist schließlich auch der einzige, der sein Sicherheitsbedürfnis aufgeben kann und die Prämisse des Überlebens um jeden Preis verwirft.
Dass CARRIERS nur an der Oberfläche eine postapokalyptische Geschichte erzählt, ist offensichtlich. Woanders wurde dem Film vorgeworfen, dass er keine vereinsamten Städte zeigt, sondern nur Wüstenlandschaften, die wohl auch schon vor der Seuche entsprechend menschenleer waren. Das mag zwar einerseits ökonomischen Randbedingungen geschuldet sein, andererseits verzichtet CARRIERS aber auch sehr explizit darauf, die Katastrophe einzuführen. Zu Beginn sehen wir die vier Twens fröhlich im Auto sitzen, Surfbretter auf dem Dach, eine Fahrt in den Urlaub eben. Das Amerika von CARRIERS ist immer auch das Amerika von heute, oder eben wenigstens Teile davon. Dabei schürt der Film weniger die Panik vor einer globalen Pandemie, sondern behauptet vielmehr, dass ihre Auswirkungen ohnehin längst eingetreten sind. Die Parallele, die Stefan bei Telepolis zu Cormac McCarthys "The Road" zieht, liegt nahe, wenn auch aus einem ganz anderen Grund als dem angegebenen: CARRIERS zeigt ein Amerika, das physisch vollkommen intakt ist, lediglich vordergründig seiner Bevölkerung, hintergründig seiner Menschlichkeit beraubt ist. Die Ästhetik von THE ROAD dagegen zielt darauf, die Zerstörung des Staates auch äußerlich kenntlich zu machen - mit zerstörten Gebäuden, verdorrten Wäldern und aschebedeckten Ebenen. Gemein haben beide Geschichten aber eine Erkenntnis: Mit der Katastrophe ist immer auch der Verlust der Heimat verbunden, die Reise wird zur unausweichlichen Folge. Sicherheit, das weiß auch der Vater in THE ROAD, gibt es nur unterwegs. Wenn die CARRIERS-Gruppe ihre infizierten Mitglieder verstoßen muss, dann bleiben diese immer zurück, bleiben stehen oder eben liegen, während die Gesunden weiterziehen.
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