Das Schwein, das Caruso so liebt.
Mystic River (Clint Eastwood, USA 2003)
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Ohje, ein Film zum Bücherfüllen. Ich hab ihn heute zum zweiten Mal gesehen, zuletzt damals im Kino (kaum begeistert, nebenbei), doch als so komplex und verschachtelt hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Da ist so unendlich viel drin, was einer ausführlichen Analyse bedürfte. Das fängt bei den Details an - die Parallelmontage der katholischen Erstkommunion zum Finden von Katies Leiche - und hört bei der undurchschaubar komplizierten Personenkonstellation nicht auf.
Da gäbe es Dave (Tim Robbins), der durch die Entführung und Misshandlung seiner Kindheit beraubt und schwer traumatisiert wurde. Als Erwachsener scheint er zwar weitgehend normal, doch so ein wenig schimmert stets das Trauma durch, wenn er ein klein wenig zu lange schweigt zwischen den Sätzen; wenn er das Kinn 1-2cm zu tief hält, wenn er mit jemandem redet; oder eben wenn er kurzfristig in blanken Wahnsinn ausbricht, unbeholfene Metaphern für sein eigenes Leben erfindet und - ja - plötzlich sehr bedrohlich wirkt. Und dann seine Frau, und irgendwie auch die seltsame Beziehung zu ihr, viel mehr Mutter-Sohn als Mann-Frau, schön zu sehen, als er in besagter Nacht blutend heimkommt. Bis sie dann am Schluss allein durch die Straßen irrt und ihr langsam klar wird, dass ihr Mann nicht mehr lebt. Dann erst spricht sie zum ersten Mal on screen mit ihrem eigentlichen Sohn, zuvor war er immer eher ein Kind seines Vaters.
Da gäbe es Jimmy (Sean Penn), Vater des Opfers, (ehemaliger) Krimineller. Er ist schon weit mehr als nur Vater, oder zumindest ist er es noch nicht von Anfang an. Immer wieder wird er daran erinnert, dass er Familienvater zu sein hat, Pflichten zu erfüllen - und nach dem Mord an Dave erinnert ihn seine Frau in einer sehr ambivalenten Szene noch einmal daran, und er wird auf sie hören, und sich natürlich nicht der Polizei stellen. Zuvor ist er vielleicht noch die stereotypste Person des Films, eben der zerknirschte Vater des Opfers, der auf Rache sinnt. Später dann wird er eben zur - beinahe transzendenten - Vaterfigur, die sich mit ihren familiären Banden über die Moral stellt - zu stellen hat, wie die Familie fordert. Und dann, das Kruzifix auf den Rücken tätowiert, lange und eindrücklich im Bild im Augenblick der Reue. Mit diesem - christlichen - Motiv vor Augen scheint das Bild seiner Frau in der vorletzten Filmszene schon wieder reaktionär, sie, die Verführerin, die ihren eigentlich reumütigen Gatten an die Familie kettet, anstatt ihn "Buße tun zu lassen". Und dann noch die Andeutung eines eiskalten Lächelns, das sie ihrer Schwester - Daves Witwe - zuwirft.
Der dritte im Bunde, irgendwie auch der unscheinbarste: Sean (Kevin Bacon), der Polizist, und vor allem der, dessen Drama sich nicht im Hauptplot abspielt, sondern sich nur ständig daran spiegelt. Er ist als einziger dem Vorort entwachsen und wirkt oft wie ein neutraler Beobachter des Geschehens, weniger involviert als alle anderen. Wäre da nicht diese Sache mit seiner Frau, die ihn verlassen hat, aber immer noch ständig anruft, am Telefon aber lediglich schweigt. Er muss erst die ganze Komplexität des Dramas begreifen, um sich zu einer Entschuldigung aufraffen zu können, und dann spricht die Frau auch endlich wieder, und der Zuschauer sieht zum ersten Mal ihr ganzes Gesicht, statt wie zuvor nur den Mund, der unhörbare Worte geformt hat. Es ist dann wieder diese letzte Szene, in der diese Konstellation einen sehr seltsamen Anstrich bekommt: Strahlend erleuchtet steht da dieses neuvereinte Paar und beobachtet die Feiertagsparade, die - blonde - Frau den Blick in die Ferne gerichtet, auf dem Arm ein Baby. Nur Sean, im schwarzen Anzug, wirkt ein wenig deplatziert: obwohl er sie umarmt, scheint er nicht wirklich zu diesem Bild zu gehören, er folgt nicht den Blicken seiner Frau, er scheint sie überhaupt kaum zu berühren. Stattdessen sieht er sich um, sieht die aufgelöste Witwe von Dave, sieht Jimmys Frau und Familie, und dann Jimmy, von dessen Mord er weiß. Dann, diese unschuldige Geste von Jimmy, "ich kann nichts dafür, so ist das Leben eben", scheint sie zu sagen. Dazu ein - beinahe mitleidiges - Lächeln.

Den Text merke ich mir mal vor...

Und noch ein, vielleicht sogar interessanterer, Link.
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Hellboy (Guillermo del Toro, USA 2004)
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Sehr schön. Del Toro hat keine Skrupel, einen haarsträubend abstrusen und pulpig-trashigen Plot zu verwenden, um eine richtig warmherzige und intelligente Geschichte zu erzählen. Hellboy, irgendwie knallrotes Riesenmachobaby, dann andererseits herrlich unbeholfen und schüchtern. Und so ehrlich. Absoluter magic moment ist ohnehin die Szene auf dem Hausdach, wo Hellboy dem kleinen Jungen seinen Liebesfrust klagt. Ein wenig variiert del Toro hier den X-Men-Topos vom ungeliebten Anderen, aber er begegnet dem Thema schon auch von anderer Seite: er zeichnet einen Superhelden, der wohl gleichzeitig sein eigener größter Fan wäre. Eben ein kleiner Junge, der mit großen, staunenden Augen beobachtet, was für tolle Sachen er machen kann, und dabei auch noch unendlich cool aussieht.
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