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*work in progress*
Autos mit Arschgeweih
Es geht um Kurven und Geraden, das macht „Cars“-Regisseur John Lasseter schon sehr früh klar: Er zeigt seinen Helden, den Rennwagen Lightning McQueen, auf der Reise nach Kalifornien, zum Abschlussrennen des „Piston Cup“. Der Interstate 40, auf dem Lightning fährt, ist schnurgerade, eben die kürzeste Verbindung zweier Punkte, und Lasseters virtuelle Kamera offenbart, dass das nicht natürlich ist: Einmal zeigt eine Vogelperspektive, wie sich unter der Straße ein Fluß dahinschlängelt, eine Einstellung später dann sieht man, wie für den Interstate eine Schneise in einen Hügel gebrochen wurde. Der Soundtrack spielt dazu „Life is a Highway“ von Rascal Flatts.
Lightning McQueen ist nun natürlich so einer, der „auf der Überholspur lebt“ (Presseheft) und die geraden, ausgebauten Strecken bevorzugt. Bezeichnenderweise fährt er auch in einem den amerikanischen NASCAR-Veranstaltungen nachempfundenen Rennzirkus – die Strecken hier bestehen stets aus zwei langen Geraden, die durch zwei weitläufige 180-Grad-Steilkurven miteinander verbunden sind, für (fast) ständiges Fahren in Höchstgeschwindigkeit. Als er dann eben auf der Fahrt zum großen Rennen vom Interstate abkommt und auf der Route 66 im verschlafenen Städtchen Radiator Springs strandet, so kommt er mit diesem unfreiwilligen Umweg nicht klar.
Was jetzt kommt, ist Kinderfilm-Formel: Der ungestüme Jungspund lernt soziales Verhalten wie Teamgeist und Freundschaft, findet wahre Freunde (und Liebe) und darf in der finalen Feuertaufe seine neuen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Und hier bricht „Cars“ auch mit der kurzen Tradition der computeranimierten Trickfilme: Im Gegensatz zu vielen ihrer gezeichneten Vorgänger eben nicht nur biedere Kost für die ganze Familie zu bieten, sondern immer auch zumindest ein klein wenig subversiv zu sein. Zwar gingen die Dreamworks-Pendants („Antz“, „Shrek“) drastischer vor als die neuen Disneys, doch auch „A Bug’s Life“ und „The Incredibles“ hatten ihre erwachsenen Momente. „Cars“ dagegen ist vor allem harmlos und nett und macht dem erwachsenen Zuschauer schon recht deutlich, dass er vor allem seiner zielgruppengerechten Begleitperson zuliebe diesen Film sieht. Da hilft es auch nicht, wenn „Cars“ sich über seine ganze Laufzeit größtenteils auf der Idee ausruht, von einer Welt voller Autos zu erzählen. Da kann ein LKW nach langer Fahrt schon mal in Sekundenschlaf verfallen, oder ein kleiner Fiat zum großen Ferrari-Fan werden, mit Mütze und Fahne. Statt Kondens-Streifen gibt es Reifenspuren am Himmel, die Felsformationen in den Canyons sehen aus wie Cadillac-Motorhauben, und im – natürlich – Autokino laufen „Toy Car Story“ und „Monster Cars Inc“. Insekten sind VW Käfer mit Flügeln, und auf der Weide steht eine Herde Traktoren, die ein lautes „Muuuuuh“ von sich geben, wenn sie erschrecken. Spätestens nachdem Lightning McQueen dann auch noch bei Sally, der heißen Porsche-Dame von Radiator Springs, die Lidschatten über der Windschutzscheibe trägt, ein kesses Tribal Tattoo auf ihrer Kofferraumklappe entdeckt hat, hat sich der Zuschauer an den immer wiederkehrenden Gags nach gleichem Strickmuster endgültig sattgesehen.
Immerhin, Lasseter gibt sich Mühe, die bekannte Adoleszenz-Geschichte in Metaphern zu spiegeln: Radiator Springs, dieses kleine Nest voller liebenswerter Mensch-Autos, ist eben nur zu erreichen über die seit dem Bau des Interstate verwaiste Route 66. Die Kundschaft bleibt aus, das Überleben der Gemeinde – und damit auch ihrer Werte – ist in Gefahr. In der Welt
draußen dagegen regiert das Einzelkämpfertum, und es bedarf eines Umweges, um von diesem vermeintlich bestem Lebensstil wegzukommen.
Schade nur, dass Lasseter diesen Umweg vor allem als einen Trip in die amerikanische Vergangenheit charakterisiert: Am Ende des Films weicht das rostige „Route 66“-Schild einem strahlend-glänzenden „Historic Route 66“, und die Besucher strömen scharenweise nach Radiator Springs. Menschlichkeits-Tourismus in die Sixties, sozusagen, und soziales Verhalten als klassisch-amerikanisches Kulturgut. Überhaupt, dieser Schluss ist es auch, der dem Film ein wenig die Internationalität und Universalität raubt und ihn jetzt als sehr amerikanisches Kulturprodukt zeichnet. Während die Vorgängerfilme auf austauschbare Schauplätze wie Großstadt oder Natur setzten, siedelt Lasseter „Cars“ eben mitten in Amerika an. Dabei blickt er zwar sehr wohl ein wenig ironisch auf den Patriotismus, wenn er pathetisches Flagge-Zeigen von einem Jimi Hendrix-hörenden Hippie (ein bunt bemalter VW-Bus) stören lässt, doch schützt es den Film letztlich eben nicht davor, in nostalgischen Kitsch abzugleiten: Aus der verwaisten und ungepflegten Straße und ihren Anwohnern wird plötzlich – mit dem Attribut „historic“ – ein schützens-, vor allem aber sehenswertes Kulturgut. Radiator Springs erstrahlt in neuen Neon-Lichtern und bekannter Sixties-Architektur. Ein altkluges „Früher war alles besser!“ durchzieht die letzte halbe Stunde des Films. Auf die Pixar-Filme trifft das leider zu.