Das Schwein, das Caruso so liebt.
FFF'09: LOFT (Erik Van Looy, Belgien 2008)
Großartig ist Van Looys Film immer dann, wenn sich der Regisseur auf seine Bilder verlässt. Mit seiner Kamera, die einerseits nervös und nah an den Figuren zu einem weiteren Protagonisten wird, andererseits aber auch mit großartig weicher Unschärfe den Bildhinter- von seinem Vordergrund trennt, gelingt Van Looy der Spagat zwischen einer sehr artifiziellen und einer stellenweise gar realistischen Ästhetik. Auch die Rückblenden-Medleys, immer ein kritischer Moment, bei dem ich mich als Zuschauer gerne unterschätzt fühle, schneidet Van Looy mit viel Gespür für das Timing und den Rhythmus seines Films.
So schön LOFT aber auch aussieht, so schade ist es auch darum: Sein Plot verliert sich in einer bitteren Moralfabel um mal wieder die erfolgsgelangweilten Männer mittleren Alters, nur dass diese hier im Gegensatz zu NEW TOWN KILLERS nicht arme Unterschichtler umbringen, sondern sich eben durch sämtliche hübschen Twenty-Somethings von Antwerpen vögeln. Dabei ist die Eskalation mit der Frauenleiche im gemeinsamen Seitensprung-Appartment noch das schönste Element dieser schlichten und später viel zu überraschungsversessenen Geschichte. Der Rest ist abgeschmackter und beinahe-reaktionärer Unsinn.

F.LM-Podcast
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FFF'09: BLOOD: THE LAST VAMPIRE (Chris Nahon, Hong Kong/Japan/Frankreich 2009)
Vielleicht liegt es auch an der zwanghaften Amerikanisierung, der diese Realverfilmung eines Animes zum Opfer gefallen ist, dass ich BLOOD zuallererst mal als stinklangweilig bezeichnen muss. Da wird der Hauptfigur ein nutz- und sinnloser Sidekick in Form einer amerikanischen Generalstochter zur Seite gestellt und überhaupt weite Teile des Films in einer amerikanischen Militärbasis in Japan abgefeiert, ohne dass diese Internationalisierung einer Bedrohung aus der japanischen Sagenwelt sich zum eigentlichen Plot fortgesetzt hätte. Dieser nämlich verlässt nie die Ebene einer CHINESE GHOST STORY, inklusive deren ethnischer Zentrierung, aber dafür völlig ohne ihren ehrlichen Charme. Was sich zu Anfang noch so anlässt, als könnten wenigstens die in hoffnungslos lächerlichen CGI-Blutfontänen ertränkten Kampfszenen Spaß machen, verliert spätestens in der ausladenden Sequenz eines Straßenkampfes seinen Reiz: Immer wieder habe ich mich gefragt, ob Nahon hier nicht schamlos Einstellungen zweit- und drittverwurstet, um die ohnehin viel zu seltene Action wenigstens ein bißchen auf Länge zu bringen. Auf dieses zwar 15 Minuten lange aber nur 3 Minuten interessante Gekloppe folgt dann logischerweise auch ein großer Brocken Nichts, Fetzen einer wenig involvierenden und millionenfach gehörten Handlung, übererklärt und -formuliert, zwischendrin Rückblenden, bei deren japanischen Originaldialogen der ansonsten englischsprachige Film zu allem Überfluss dann auch auf die Untertitel verzichtet hat. Zum Ende hin wurde die Laufzeit quälend lang, auch der bereits mehrere Meilen gegen den Wind wahrzunehmende Gestank des fauligen Plottwists wirkte eher kontraproduktiv. Den Rest gab Nahon seinem Filmchen dann mit einem antiklimatisch-unspektakulären Showdown und einem fatalistischem Schlussmonolog des nervtötenden army brats. "BLOOD: THE LAST VAMPIRE movie that should have been made", las ich in einem Blog. Ja, das stimmt so ungefähr.
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FFF'09: IN THE ELECTRIC MIST (Bertrand Tavernier, Frankreich/USA 2009)
Wer auf die Idee kam, diesen Krimi mit SHINING zu vergleichen, würde mich schon mal interessieren. Leider schweigt sich das FFF-Programmheft ja stets über die einzelnen Autoren aus, also kann ich leider nicht nachvollziehen, wen man für diesen Dummfug verantwortlich machen kann. OK, zugegeben, im ELECTRIC MIST nur einen Krimi zu sehen greift auch deutlich zu kurz. Immerhin geht es aber um das whodunnit der Mädchenmorde, und wenn Tommy Lee Jones einen großartig Chandleresquen Off-Kommentar spricht, dann klingt das alles schon sehr nach Noir, in den Sümpfen Louisianas. Der SHINING-Vergleich rührt dagegen wohl von den LSD-induzierten Visionen des Protagonisten her, die ihn mit einer kleinen Einheit im amerikanischen Bürgerkrieg gefallener Konföderierten-Truppen bekannt machen, deren General dem Polizisten mit orakelhaft vagen Hinweisen bei der Aufklärung des Falles hilft. Viel bemerkenswerter an diesem Film, der auf jeden Fall zu meinen Top-5 des diesjährigen Festivalprogramms gehört, ist seine Erzählweise: Er verwebt seinen Krimiplot mit einem Stimmungsporträt des Louisiana post-Katrina, lässt seine Kamera immer wieder in einem wunderschönen DOWN BY LAW-Zitat an den zerstörten Wellblechhütten vorbeifahren und thematisiert mittendrin eine Gesellschaft, die sich zwar redlich bemüht, keine Rassentrennung mehr vorzunehmen, aber von dieser Schuld immer noch schwer gezeichnet ist. Überhaupt, Orakel: Es gibt verschiedene Randfiguren im ELECTRIC MIST, deren rätselhafte und merkwürdig einstudierte Sprechweise anfangs noch befremdet, später aber zum Blues dieses Films einen entscheidenden Beitrag leistet und ihn an der Grenze zum Surrealismus verortet. In einer Randnotiz belegt die mehrfach gelesene Auffassung, dass Tommy Lee Jones' Figur ja die gleiche wie in NO COUNTRY FOR OLD MEN sei, dass große Teile des Festivalpublikums einfach zum genauen Hinschauen nicht fähig sind. Dave Robicheaux ist zwar ebenfalls Polizist, charakterlich aber ein direkter Gegenentwurf zum Sheriff Bell aus NO COUNTRY. Gleiches gilt auch für die Tatsache, dass der 117-minütigen Festivalfassung des Films weitgehend mit der Meinung begegnet wird, zu lang zu sein. Die bereits erschienene amerikanische DVD ist um gute 15 Minuten erleichtert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine solche Kürzung dieses wunderbaren Films ohne ein Massaker passieren konnte und hoffe auf ein baldiges Release der vollständigen Fassung. James Lee Burke, der Autor der Buchvorlage, ist hiermit übrigens auf meinem Schirm gelandet.
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FFF'09: NEW TOWN KILLERS (Richard Jobson, Großbritannien 2008)
Trauriger Tiefpunkt dieses ohnehin ziemlich egalen Menschenjagd-Filmchens ist eine Szene, die wohl im Programmheft mit "Dougray Scott spielt sich die Seele aus dem Leib" gemeint ist: Ein mehrminütiger Monolog, in dem besagter Schauspieler mit exaltierten Pausen und diversen peinlichen Grimassen pathethischst zum Besten geben darf, warum er als erfolgreicher Bänker die britische Unterschicht so verachtet und ihre Vertreter deswegen gerne mal umbringt. "Das ist mein Hamlet", muss er sich wohl gedacht haben, dabei ist NEW TOWN KILLERS von jedwedem Klassiker in etwa so weit entfernt wie ranzige Mettwurst von einem frischen Salat. Mal wieder geht es in dem für mich inzwischen unerträglichen Stil des britischen Sozialrealismus darum, wie zynisch doch das Finanzwesen sei, und wie ausbeuterisch und überhaupt. All das dann in die wenig originelle Allegorie verpackt, dass die da oben ja gerne die da unten nachts zur eigenen Belustigung jagen und umbringen, "because I can" und so, all das, was man eben schon viel zu oft gehört hat. Langweilig war dieses Anspruchskino für die seit G.W.Bush politisch interessierte Generation obendrein. Nach 60 Minuten habe ich ziemlich genervt den Saal verlassen
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