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It's "Osama Bin Laden-Day"
Man könnte meinen, John Trudell wäre bereits tot, wenn man diesen Film sieht. Die Interviewpartner sprechen über ihn in der Vergangenheit, und der romantisierende Unterton, den Regisseurin Heather Rae anschlägt, erinnert auch an einen Nachruf: Gegen Ende des Films hört man einmal Trudells Stimme, wie er sich - offenbar bei einem Live-Auftritt - bei verschiedenen Wegbegleitern, Freunden und Bekannten bedankt. Die Leinwand bleibt dabei schwarz.
Aber Trudell lebt, und in einer Fernsehshow, angesprochen auf den Columbus-Day, ist er dann auch ganz aktuell polemisch: "Columbus-Day is for us native americans, what Osama Bin Laden-Day would be for you." Es sind solche Videofetzen, die ihn eher als plumpen Provokateur erscheinen lassen, denn als einen ernstzunehmenden Aktivisten. Dabei ist Rae so bemüht, Trudell zu einer beinahe transzendenten Persönlichkeit des
native american rights movement zu stilisieren: Zu Beginn gleich zitiert sie aus einer FBI-Akte, in der er als "extrem eloquent, und deshalb extrem gefährlich" bezeichnet wird. Ein anonym bleibender Interviewpartner meint, "he really analyzed the political system", und spricht Trudell damit wissenschaftliche Autorität zu. Und dann montiert Rae auch noch Interviewaufnahmen mit Trudell parallel zu den Bildern eines Koyoten, der über die amerikanische Steppe streift.
Überhaupt, es ist so vieles im Film, was sich eigentlich nur Werner Herzog erlauben darf. Die indianische Regisseurin solidarisiert sich mit ihrem Protagonisten, und ist in ihren Objektivierungsversuchen mehr als durchschaubar. Auch scheint sie Herzogs Suche nach der "deeper emotional truth" nachzuahmen: Da wird von Trudells verstorbener Frau gesprochen, und Rae spielt dazu Archivaufnahmen und -fotos ein. Wie sie auf irgendwelchen Veranstaltungen im Hintergrund steht, sie im Kreise ihrer Familie, sie neben Trudell. Dazwischen mischen sich dann augenscheinlich neuere Videos einer zumindest ähnlich aussehenden Frau, die im Indianerkostüm mitten auf weiter Steppe steht, der Sonnenuntergang im Hintergrund, während die Kamera um sie rotiert, untermalt von ethnischer Musik oder den Gedichten Trudells. Von den Archivbildern sind solche offensichtlich nachgestellten Aufnahmen - und davon gibt es einige im Film - nie abgegrenzt. Ein eher peinlicher Versuch, Pathos und große Emotionen zu evozieren. Ebenso, wenn Trudells Enkelin ein Gedicht ihres Großvaters zitiert: "We are all children of the earth..." Heather Rae inszeniert großen Ethno-Kitsch, und benimmt sich dabei wie das - ein wenig ignorante - Mädchen, das glaubt, mit ihrem Indianerhalsband bereits genug gesellschaftliche Konventionen für großes Rebellentum gebrochen zu haben.