FFF'09: IN THE ELECTRIC MIST (Bertrand Tavernier, Frankreich/USA 2009)
toureiro, 3. September 2009, 16:07h
Wer auf die Idee kam, diesen Krimi mit SHINING zu vergleichen, würde mich schon mal interessieren. Leider schweigt sich das FFF-Programmheft ja stets über die einzelnen Autoren aus, also kann ich leider nicht nachvollziehen, wen man für diesen Dummfug verantwortlich machen kann. OK, zugegeben, im ELECTRIC MIST nur einen Krimi zu sehen greift auch deutlich zu kurz. Immerhin geht es aber um das whodunnit der Mädchenmorde, und wenn Tommy Lee Jones einen großartig Chandleresquen Off-Kommentar spricht, dann klingt das alles schon sehr nach Noir, in den Sümpfen Louisianas. Der SHINING-Vergleich rührt dagegen wohl von den LSD-induzierten Visionen des Protagonisten her, die ihn mit einer kleinen Einheit im amerikanischen Bürgerkrieg gefallener Konföderierten-Truppen bekannt machen, deren General dem Polizisten mit orakelhaft vagen Hinweisen bei der Aufklärung des Falles hilft. Viel bemerkenswerter an diesem Film, der auf jeden Fall zu meinen Top-5 des diesjährigen Festivalprogramms gehört, ist seine Erzählweise: Er verwebt seinen Krimiplot mit einem Stimmungsporträt des Louisiana post-Katrina, lässt seine Kamera immer wieder in einem wunderschönen DOWN BY LAW-Zitat an den zerstörten Wellblechhütten vorbeifahren und thematisiert mittendrin eine Gesellschaft, die sich zwar redlich bemüht, keine Rassentrennung mehr vorzunehmen, aber von dieser Schuld immer noch schwer gezeichnet ist. Überhaupt, Orakel: Es gibt verschiedene Randfiguren im ELECTRIC MIST, deren rätselhafte und merkwürdig einstudierte Sprechweise anfangs noch befremdet, später aber zum Blues dieses Films einen entscheidenden Beitrag leistet und ihn an der Grenze zum Surrealismus verortet. In einer Randnotiz belegt die mehrfach gelesene Auffassung, dass Tommy Lee Jones' Figur ja die gleiche wie in NO COUNTRY FOR OLD MEN sei, dass große Teile des Festivalpublikums einfach zum genauen Hinschauen nicht fähig sind. Dave Robicheaux ist zwar ebenfalls Polizist, charakterlich aber ein direkter Gegenentwurf zum Sheriff Bell aus NO COUNTRY. Gleiches gilt auch für die Tatsache, dass der 117-minütigen Festivalfassung des Films weitgehend mit der Meinung begegnet wird, zu lang zu sein. Die bereits erschienene amerikanische DVD ist um gute 15 Minuten erleichtert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine solche Kürzung dieses wunderbaren Films ohne ein Massaker passieren konnte und hoffe auf ein baldiges Release der vollständigen Fassung. James Lee Burke, der Autor der Buchvorlage, ist hiermit übrigens auf meinem Schirm gelandet.